Ausgabe Nr.
Ausgabe Nr.
J M upload 01.07.2023, Viva Edition 201 | Print article

Avocados: Grünes Gold der Kanaren

Avocados lieben es trocken und warm - und wir lieben die edlen ‚Butterbirnen’ mit ihrer zart nussigen Geschmacksnote. In ganz Europa steigt die Nachfrage nach diesem gesunden Superfood, ungeachtet der ökologischen Bilanz. Und auf den Kanarischen Inseln, die den höchsten pro-Kopf Konsum des Landes haben, gilt das noch mehr. Hier stehen sich 5 Kilogramm lediglich 500 Gramm gegenüber. Mit der langen Geschichte in der Avocadoproduktion erscheint ihre selbst gewählte Bezeichnung „aguacataneros“ nicht abwegig.

Die Avocadobäume profitieren von den fruchtbaren, mineralstoffreichen Vulkanböden, den geringen Temperaturschwankungen und dem überaus sonnigen Klima. Hier schmecken die Beeren dieser Lorbeergewächse noch cremiger, noch intensiver und haben darüber hinaus mit bis zu 33 Prozent einen noch höheren Fettgehalt als ihre ‚Kollegen‘ aus anderen Regionen. Letzteres ist der Wasserknappheit geschuldet, denn ohne ausreichende Bewässerung würden diese durstigen Gewächse nicht gedeihen.

Geduld ist gefragt

Es dauert mindestens fünf Jahre bis der ‚Star der Azteken‘ erwachsen ist und die Früchte geerntet werden können. Eine Besonderheit ist, dass sie nach dem ernten reifen, was ein großer Vorteil für den Verzehr darstellt sowie in der Ernteplanung. So müssen nicht alle Früchte punktgenau auf einmal geerntet werden.

Wiederentdeckte kanarische „Aguacates“

Auf den Kanarischen Inseln wurden Avocados schon vor über hundert Jahren angebaut und exportiert. Obst und Gemüse konnte klimabedingt das ganze Jahr über angebaut und geerntet werden und so waren, bis zur Erfindung des Kühlschranks, die Agrarerzeugnisse des Archipels für Länder in Europa die einzige Möglichkeit sich im Winter mit frischem Obst und Gemüse zu versorgen. Das traf vor allem auf Großbritannien zu, wo es enge Handelsbeziehungen gab und die Qualität höchst geschätzt wurde, wie z. B. das Salz, Tabak, Tomaten, Bananen, Kartoffeln, Wein und, nicht zuletzt, Avocados. In London existierte ein eigener Kai, dem sogenannten „Canary Wharf“, und Lagerhäuser, von wo aus die Waren gelöscht und von dort direkt an die berühmten Märkte Covent Garden, Borough, Brentford Market und Spitalfields geliefert wurden.

Während dem Franco-Regime gingen die Exporte ins Ausland zurück und die hiesige Produktion wurde auf dem Archipel bzw. vierzig Prozent davon auf dem Festland Spanien verzehrt.

Der Status Quo ...

Die Suche nach neuen, lukrativen Erzeugnissen im Primärsektor rückte die Avocadoproduktion wieder in den Fokus der Agrar Wirtschaft. Die Anbaufläche1) auf Teneriffa hat sich beispielsweise in den letzten zehn Jahren verzehnfacht! Aktuell werden auf dem Archipel auf einer Gesamtfläche von 1.200 Hektar Avocados angebaut, fast die Hälfte davon auf der kleinen Insel La Palma (560 ha), gefolgt von Teneriffa (400 ha) und Gran Canaria (200 ha). Die Produktion auf Lanzarote und Fuerteventura sind marginal und kommerziell kaum relevant.

Kanarische Sorten

Fuerte war die erste Sorte, die die Spanier im Zuge der Hispanisierung in Mexiko entdeckten und mit etwa zehn Prozent Anteil zu einer der meist gehandelten Avocados zählt. Auf Rang zwei liegt die Sorte Hass, die aufgrund der kommerziellen Eigenschaften (kleinere Samen, widerstandsfähigere raue Haut und guter Qualität) ideal für den Großhandel ist. Die kleinere dunkelgrüne Pinkerton mit ebenfalls kleinerem Kern ist zwar weniger weit verbreitet, punktet allerdings mit ihrem deliziösen cremigen Fleisch. Reed finden Sie nur in den Monaten Juni, Juli und August im Laden und hier dreht sich der Spruch „Außen hui, innen pfui“ tatsächlich um. Das butterweiche, intensiv schmeckende Fruchtfleisch überrascht hinter der korkartigen Schale. Sie wird nach dem Aufschneiden auch nicht schwarz, ein weiterer Pluspunkt.

Das Zukunftspotenzial ...

Die Kanarischen Inseln sehen enormes Potenzial in der Avocadoproduktion4) und wollen diesen ausbauen. Dazu dient u. a. das Gütesiegel IGP (Indicación Geográfica Protegida), das neben dem Gebietsschutz auch die Qualität im Fokus hat - wie auch bei den kanarischen Bananen. Ende Juni hat Alicia Vanoostende, Ministerin für Agrikultur, Viehwirtschaft und Fischerei der Regionalregierung der Kanaren, über das Institut ICCA einen entsprechenden Antrag in der EU gestellt, damit dieser Gebietsschutz europaweit anerkannt wird. Andererseits sollen die historischen Vertriebswege reaktiviert werden, wie beispielsweise mit Großbritannien - ganz nach dem landläufigen Sprichwort: „los canarios somos hijos del Rey de España, pero sobrinos de la Reina de Inglaterra“.

Gleiches gilt für die Exporte auf die Iberische Halbinsel und in die EU. Hier muss sich der Archipel allerdings auf einen harten Wettbewerb einstellen und zwar mit Produzenten aus Andalusien sowie aus fremden Regionen, wie z. B. Chile, Peru und Mexiko.

... oder kostspieliges Vergnügen?

Die „Persea gratissima“ ist alles andere als gratis. Die Preise sind parallel mit der Nachfrage in den letzten Jahren deutlich gestiegen, aber auch die Kosten und damit schrumpfen die Profite. Verschiedene Studien, die sich damit auseinandersetzen, adressieren genau diese höheren Produktionskosten, die sich aufgrund verschiedener Faktoren ergeben.2)

Die Herausforderungen

Es fängt mit der Pflanze an, die erst nach vier bis fünf Jahren erstmals Früchte trägt und während dieses Zeitraumes gehegt und gepflegt werden muss. Zwar findet sie klimatechnisch und hinsichtlich des Bodens ideale Bedingungen auf den Kanaren vor, doch das wichtigste Gut, das Wasser, ist kaum vorhanden. Die Trockenheit der letzten Jahre bringt auch hiesige Farmer immer mehr in die Bredouille, da Wassertanks alleine vielleicht schon bald nicht mehr ausreichen könnten. Der Bedarf dieser durstigen Pflanze liegt bei 2.600 m3/ha bzw. in trockenen Zonen sogar bei 6.500 m3/ha. Die Preise für das Wasser variieren, wurden jedoch mit 0,56 Euro/m3 als Durchschnittswert ermittelt. Die Orographie ist eine weitere Herausforderung, um im großen Stil international mitmischen zu können. Oftmals sind die Landwirte gezwungen einer Terrassenbewirtschaftung nachzugehen, die den Einsatz von Maschinen erschweren. Ergo: Viel Handarbeit ist erforderlich, spätestens bei der Ernte. Zuverlässige, detaillierte Daten für die Kanaren liegen allerdings zurzeit nicht vor.

Das ‚grüne Gold‘

Die Anbaufläche von 829 Hektar im Jahr 1985 ist um 41 Prozent auf 1.189 Hektar im Jahr 2014 gestiegen2) und im gleichen Zeitraum die Produktionsmenge von 7.800 auf 10.504 Tonnen (+43 Prozent). Überproportional gestiegen ist der Umsatz aufgrund der wachsenden Nachfrage. Kostete 2012 ein Kilogramm noch 1,51 Euro, so findet sich nun in den Regalen der Supermärkte keine Avocadosorte unter 5 Euro. Die Produktivität wird auf 9,8 Tonnen/ha geschätzt. Das meiste davon wird auf dem Archipel konsumiert und nur ein kleiner Teil geht in den Export auf die Iberische Halbinsel bzw. Re-Export in die EU. Seit 2013 werden auf den Kanarischen Inseln keine Avocados importiert, da der Eigenverzehr von der selbst produzierten Menge gedeckt werden kann. Die jährliche Exportmenge liegt aktuell bei 651 Tonnen.

VIVA TIPP: Anfang September findet alljährlich die große Avocado-Mango Messe statt, bei der Sie zu fantastischen Preisen diverse Sorten direkt von den Landwirten kaufen können.

Doch Sie müssen nicht solange warten, denn auf einen der vielen Wochenmärkte kommen Sie um die Avocados nicht herum.

Guten Appetit!     jm

_________________________________

Verweise

1)IAAC Instituto Canario de Calidad Agroalimentaria

2)Studie über die aktuelle Situation der Avocado Kultivierung auf den Kanaren 2014

3)ISTAC - Kanarisches Statistikamt

4)Gobierno de Canarias (Kanarenregierung)

_________________________________

Siehe auch 

Avocados - immer ein Leckerbissen

Avocados - Star der Aztekten im Fokus