Ausgabe Nr.
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M M upload 05.09.2014, Viva Edition 57 | Print article

Día de Canarias - kanarischer Nationalfeiertag am 30. Mai - Es lebe das Brauchtum

Wenn sich der Bayer in seine schönste Tracht wirft, dann ist Oktoberfest. Wenn der Canario sich in schönster Volkstracht zeigt - dann feiert er SEINEN Tag, den kanarischen ‚Nationalfeiertag‘ am 30. Mai. Der „Día de Canarias“ ist einer der wichtigsten offiziellen Feiertage auf dem Archipel und überall wird dieser gebührend gefeiert.

Rein in die Tracht

Die gesamte Familie putzt sich festlich heraus und schon Kleinkinder werden liebevoll in der typischen Tracht präsentiert. Es ist wirklich entzückend, wenn schon die Kleinsten den typischen „Gorro Canario“ (Strohhut) tragen. Frauen zieren lange, zumeist längsgestreifte Röcke mit bunten Farben, gelb und rot vorherrschend. Weiße Spitzenblusen, Schürzen und Unterröcke sind weitere Details. Das Haupt ziert ein Kopftuch mit (Stroh)Hut darauf. Die Tücher werden oftmals wie Rosen an der Seite kunstvoll verknotet. Bei der festlichen Variante kommen edle Stoffe zum Einsatz und die Trachten variieren von Gemeinde zu Gemeinde (siehe Beispiel der Tracht aus Arucas oder jener in Las Palmas de Gran Canaria).

Die Herren der Schöpfung werfen sich in Dreiviertel-Hosen, dazu ein weißes Hemd und eine Weste. Und natürlich der typische „Gorro“, der Strohhut. Manche halten sich bedeckt in den Farben schwarz, grau oder beige, andere ziert ein rotes Westchen. Die Hüfte wird mit einem breiten Band verziert. Die Trachten variieren von Region zu Region.

An diesem Tag wird in fast jedem Ort gefeiert und man stolpert regelrecht von einer Veranstaltung in die nächste - Folklore, Musik, traditionelle Tänze, Umzüge („Romerías“), und Grillfeste („Asaderos“). Brauchtum steht an oberster Stelle - es ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Eine Fest für alle – Essen inklusive

Obwohl die Canarios total stolz auf ihre Identität sind, ist man nicht engstirnig. An Schulen wird der Tag weltoffen begangen. Schon Tage vor dem Festtag gibt es dort Veranstaltungen mit Folklore und traditionellen Landesgerichten, von Eltern mit ihren Kindern zubereitet. Kanarische Kinder bringen Speisen mit wie z. B. „Papas Arrugadas“ (Schrumpelkartoffeln) und typische Dipps wie „Mojo“ oder „Alioli“. Aber es werden auch andere Nationen mit einbezogen. So warten z. B. deutsche Kinder mit Kartoffelsalat oder Kinder marokkanischen Ursprungs mit Tajine und Couscous auf. Eine Zusammenführung der Kulturen, hier vorbildlich an den Kleinsten praktiziert.

Häufig wird in größeren Gemeinden von offizieller Seite ein kostenloses Essen gesponsert. Las Palmas offeriert am Las Canteras Strand einen über 20 Meter langen „Gofio“-Strudel. Und wenn San Fernando de Maspalomas ein köstlicher Geruch à la Steckerlfisch durchzieht, lockt dies zahlreiche Besucher an - denn es wird gegrillter Fisch an alle verteilt. Jedoch handelt es sich hier nicht um ein pures Volksfest und Schlemmerei, es steckt viel mehr dahinter. Es lohnt sich einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, um die besondere Bedeutung des „Día de Canarias“ für die Einheimischen zu erklären. Der Weg dorthin war steinig.

Einst ‚traditionsverbot‘ unter dem Regime

Unglaublich - bis zum Ende der Diktatur von General Francisco Franco (von 1936 - 1975 Diktator des Königreiches Spanien) fand Tradition praktisch nicht statt. Weder auf dem Festland noch auf dem kanarischen Archipel. Schon kleinere Menschenansammlungen konnten als Verschwörung gegen das Regime gewertet werden. Sogar der Karneval war unter Franco gesetzlich verboten, traditionelle Volkstänze und folkloristische Darbietungen wurden auch nicht gerne gesehen. 

Während Touristen sich am Strand aalten, mussten die Landsleute sich dem strengen Regime beugen. Urlauber bekamen meist wenig mit von den Beschränkungen und Auflagen der diktaturgebeutelten Spanier, aber eine Sache stach einem regelrecht ins Auge, die Zensur. Erinnern Sie sich? Deutsche Presse erhielt man an den spanischen Kiosken. Und nun das Aber: der schwarze Balken, der das Foto barbusiger Damen in der „Bild“-Zeitung zierte. Zensur allerorts.

Fremdwort: Kanarische Identität

Eigentlich müsste sich der Canario in einer Identitätskrise befinden. Abgekapselt vom spanischen Mutterland, manchmal fast vergessen und geographisch näher an Afrika. Wie der Bayer hat aber auch der Canario ein positives Nationalbewusstsein und genießt heutzutage die Freiheit, Tradition und kanarischen Stolz öffentlich zu zeigen. 

Lassen Sie uns zurückblicken, wie die Canarios zu ihrer eigenen Identität gelangten. Ein Blick in die Vergangenheit. Tod oder Verschleppung, das war das Schicksal der indigenen Bevölkerung zu Zeiten der Eroberung durch die spanischen Konquistadoren. Ausbeutung, Armut und Unterdrückung waren die Folge. Und dann die jahrzehntelange Franco-Diktatur. Kanarische Identität - ein Fremdwort.

Schluss mit der Diktatur - endlich Autonom

Doch dann kam alles anders! Als der alte General 1975 kurz vor seinem 83. Geburtstag seinen letzten Atemzug tat, stand schon sein „Ziehsohn“ Juan Carlos I. bestens vorbereitet in den Startlöchern. Die Amtsübernahme lief auf Hochtouren seit Francos Krankheit zu Beginn der 1970er-Jahre. Für die Sicherung der Nachfolge des spanischen Diktators war bereits 1947 die Wiedereinführung der Monarchie vorgesehen worden.  

Juan Carlos, der von Franco persönlich als Nachfolger auserkorene Enkel des letzten spanischen Königs, war seit 1948 - im Alter von 10 Jahren - unter den Fittichen des Diktators, um sich ausbilden zu lassen und als König die faschistische Monarchie nach dem Tode Francos zu restaurieren. Gegen den Willen des Militärs und der alten Führungselite- und sicherlich nicht mit dem Segen Francos - führte König Juan Carlos I. Spanien in die Demokratie. 1978 gab es eine neue Verfassung, 1981 folgten die ersten freien Wahlen.

Damit der Demokratisierungsprozess reibungslos verlief, richtete man auf den Kanaren eine Koordinierungsstelle ein. Diese hatte zum Ziel, die vollen Rechte und politischen Freiheiten des Archipels als autonome Region durchzusetzen. Im Zuge der Demokratisierung („Transición“) erhielten die Kanarischen Inseln ihre Autonomie. Der Tourismus gewann an Bedeutung. Innerhalb Spaniens erhielten die Kanarischen Inseln 1978 die Präautonomie. Per Königlichem Dekret (Real Decreto Ley 9/1978) wurde am 17. März 1978 den Kanaren der Status als provisorische autonome Region zugesprochen und 1982 der Status einer autonomen Region mit weitgehender Selbstverwaltung. 

Auf Basis dieses Autonomiestatuts fanden am 8. Mai 1983 die ersten freien Parlamentswahlen auf den Kanaren statt, die von der sozialistischen Arbeiterpartei PSOE gewonnen wurden. Ihr Spitzenkandidat Jerónimo Saavedra wurde am 30. Mai 1983 der erste Präsident der autonomen kanarischen Regierung. Und genau aus diesem Anlass wurde der 30. Mai zum „Día de Canarias“-Feiertag erklärt und wird alljährlich mit Festakten begangen. 

Eigene Flagge

Seit 1982 hat die Inselgruppe ihre eigene offizielle Flagge. Die Farbe Blau auf dem Wappen symbolisiert das Meer. Sieben Dreiecke markieren die sieben Inseln Gran Canaria, Fuerteventura, Lanzarote, Teneriffa, La Palma, La Gomera und El Hierro. Die Krone stellt das spanische Königreich dar. Zwei Hunde („Presa Canario“) bewachen das Wappen, beherrscht vom Schriftzug „Océano“ (Ozean).

Konkurrierende Provinzen: Las Palmas vs. Teneriffa

Aber Friede, Freude, Eierkuchen - weit gefehlt! Die neu gewonnene Autonomie rief Streitigkeiten („Pleito Insular“) zwischen den beiden bevölkerungsreichsten Inseln, Teneriffa und Gran Canaria, auf den Plan. Das führte dazu, dass unter den beiden Hauptstädten aufgeteilt werden musste. Die Folge: in Las Palmas de Gran Canaria wurde eine Hälfte der Ministerien und das Oberste Gericht angesiedelt und die andere Hälfte in Santa Cruz de Tenerife. 

Das „Parlamento de Canarias“ hat gesetzgebende Vollmachten, die Befugnis, den öffentlichen Haushalt des Landes zu beschließen und politische Kontrolle, über die Landesregierung und Senatoren als Vertreter zu bestimmen. Die Provinzhauptstädte Santa Cruz (Teneriffa mit den Inseln La Palma, La Gomera und El Hierro) und Las Palmas (Gran Canaria mit den Inseln Lanzarote und Fuerteventura) wechseln sich alle vier Jahre als Regierungssitz ab.

Fiesta, fiesta!

Mit dem Wissen um den politischen Background haben sich die Kanarier den „Día de Canarias“ redlich verdient. Es wird gefeiert bis zum Abwinken (die Termine finden Sie in dieser Ausgabe). Ein schöner Brauch, zum kanarischen Nationalfeiertag ausgelassen und fröhlich Tradition und seine Wurzeln hochleben zu lassen. Was wäre passender, als diesen Bericht mit einer Textzeile der kanarischen Hymne ausklingen zu lassen? „... Ich bin Vulkan, Salpeter und Lava. Aufgeteilt auf sieben Felsen schlägt der Puls meiner Seele. Ich bin Geschichte und Zukunft; Herz, das die Dämmerung erhellt ...“. 

ROMERIAS zum Día de Danarias am 30. Mai

Romerías zum „Día de Canarias“ in fast allen Gemeinden, Start ist gewöhnlich am späten Nachmittag. Die größte Romería zum „Día de Canarias“ findet ab ca. 11.00 bis ca. 14.00 Uhr in der Hauptstadt Las Palmas statt. Der Umzug führt entlang der Las Canteras Promenade. Ein über zwanzig Meter langer Gofio-Strudel wird an der La Puntilla am östlichen Ende der Promenade aufgebaut.

Dienstag, 30. Mai, 19.00 Uhr

Maspalomas, San Fernando: Folkloredarbietung „Umiaya“ im Parque de San Fernando.

„Día de canarias“ Las Canteras Promenade in Las Palmas de Gran Canaria

Am späten Vormittag startet der absolut größte Umzug von Gran Canaria, der jedes Jahr Tausende in die Hauptstadt lockt. Die Romería (Paseo Romero) führt bis zum Ostende an der La Puntilla der Las Canteras Promenade, wo ein überdimensionaler Gofio-Strudel auf seine Abnehmer wartet. Allein die Badegäste am Strand passen nicht so ganz ins Bild. Gegen 14.00 Uhr gibt es dann noch ein kurzes Böllerschießen und ein Feuerwerk. Muss man einmal erlebt haben.