Ausgabe Nr.
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J M upload 27.02.2021, Viva Edition 173 | Print article

500 Jahre Briten & Kanaren - der Einfluss der Briten auf die Kanaren

Die „Inseln des ewigen Frühlings“, wie die Eilande in Chroniken einst bezeichnet wurden, zählen dank der erfolgreichen Eroberungen im Auftrag des kastilischen Königshauses heute zu Spanien. Aber schon lange bevor der Feldherr Juan Rejón mit seinem 600 Mann starken Trupp am 24. Juni 1478 auf der La Isleta vor Las Palmas de Gran Canaria1) an Land ging und damit die folgende Geschichte besiegelte, hätte auch eine andere Seemacht die Zukunft in ganz andere Bahnen lenken können. Die Rede ist von Großbritanniens Seefahrern, die bereits im Jahr 1402 hier an Land gingen. Doch auch so haben die Briten das hiesige Geschehen in vielerlei Hinsicht geprägt und ihren „Fußabdruck“  hinterlassen. Wir begeben uns auf eine Spurensuche und drehen die Zeit fast 600 Jahre zurück …

Die Spurensuche

Im Jahr 1402 legte das erste britische Schiff auf den Kanarischen Inseln an und seither kamen Briten immer wieder und zwar aus den unterschiedlichsten Gründen, vom Freibeuter bis hin zu geschäftstüchtigen Geschäftsleuten, Händlern und wagemutigen Investoren.

Die ‚Entdeckung der Neuen Welt’ im Jahr 1492 war für die Kanarischen Inseln ein Meilenstein, denn nicht nur Christoph Kolumbus hielt vor seinen Überfahrten über den ‚großen Teich‘ noch ein letztes Mal auf dem Archipel an (bei drei seiner vier Fahrten auf Gran Canaria), um sich noch mit letztem Proviant zu versorgen und allfällige Reparaturen an den Schiffen durchführen zu lassen. Der Archipel profitierte von der strategisch optimalen Lage und dem ganzjährig milden Klima. Mit der Zeit wuchs der Schiffsverkehr durch neue Kolonien und den Handel, die oftmals ebenso die Kanarischen Inseln als letzten Zwischenstopp nutzten, wie z. B. die Flamen.

Piraten & Freibeuter

Die Welt war im Aufbruch und war in einer Art Wettstreit ihre Kolonialreich zu erweitern und gleichzeitig wuchs der Handel mit Waren aus fernen und exotischen Ländern. Damit einhergehend gewann die Schifffahrt an Bedeutung. Machtkämpfe um die Vorherrschaft und der Wettlauf um die Eroberung neuer Territorien führten im Jahr 1566 zu einem Bündnis von England, Frankreich und Holland gegen Spanien. Diese Attacken gingen als „Invasión de los ingleses“ in die Geschichtsbücher ein.

Die „schnelle Invasion“ von Sir Francis Drake in Las Palmas

Nicht zuletzt aus den zuvor erwähnten Gründen waren waren die Kanarischen Inseln immer wieder Ziel der Angriffe von Freibeutern und Piraten, wie z. B. der Briten Sir Francis Drake (Foto 01) und John Hawkins. Diese versuchten auf ihrer Fahrt nach Übersee am 4. Oktober 1595 die Stadt Las Palmas de Gran Canaria „schnell zu erobern“. Allerdings rechneten sie nicht mit der erbitterten Gegenwehr der tapferen Einheimischen und die Invasion scheiterte.2)

Admiral Blake im April 1657 vor Santa Cruz de Teneriffa

33 Schiffe des Admirals Robert Blake (Foto 02) versuchten am 29. April 1657 mit einer Flotte während dem Spanisch-Englischen Krieg nach Teneriffa und er befahl Kapitän Stayner mit zwölf Schiffen die im Hafen von Santa Cruz de Teneriffa ankernde spanische Flotte zu versenken und der Rest sollte anschließend die Befestigungsanlagen an Land angreifen. Die spanischen Handelsschiffe hatten gegen die Vielzahl an Kanonen der Engländer keine Chance und zwei Schiffe wurden gekapert, drei gerieten in Brand, vier strandeten und der Rest wurde versenkt.

Die heftige Gegenwehr vom Land aus sorgte auch bei den britischen Schiffen für enorme Schäden, fast alle Masten waren verloren und schließlich mussten sie auch die gekaperten Handelsschiffe zurücklassen und sich auf das offene Meer zurückziehen.

Auch der verdiente Marinebefehlshaber Admiral Sir John Jennings scheiterte bei seinem Versuch im Jahr 1706.

Korsaren in Tuinije, 1740

Am 13. Oktober 1740 fielen 53 britische Freibeuter am Strand von Gran Tarajal in der Gemeinde Tuinije auf Fuerteventura ein. Die Dorfbewölkerung konnte diesen Angriff abwehren, obwohl sie kaum über Waffen verfügten und so musste es wohl Erzengel Michael sein, dem sie diesen guten Ausgang zu verdanken haben. Inzwischen wird diese Schlacht in einem 2-tägigen Spekakel in originalgetreuen Kostümen alljährlich nachgstellt (wir berichteten, siehe www.viva-canarias.es). Das Volksfest der „Batalla de Tamasite“ ist zum touristischen Interesse und Kulturgut erklärt worden.

Schifffahrt und Handel

Viele Schiffseigner wählten den Hafen Puerto de La Luz aufgrund des milden Klimas, der ruhigen See, der strategisch günstigen Lage im Schnittpunkt dreier Kontinente als ihren Stammsitz und nicht zuletzt als „free port“ aufgrund der kostengünstigen Betriebsmöglichkeit. Vertreten waren Spanier, Briten, Belgier, Norweger, Deutsche, Franzosen, Holländer und Italiener.

Einige Beispiele: Royal Mail Steam Packet Com., Elder Dempster & Co. Ltd., Woermann Linie Act. Ges., Yeoward Bros., Lamport y Holt Ltd., Lloyd Royal Belga S.A. und Deutsche Ost Africa Linie.

Noch heute sind einige dieser geschichtsträchtigen britischen Unternehmen im Hafen von Las Palmas de Gran Canaria angesiedelt, wie z. B. Schiffsreparatuerfirmen, Wartungs- und Zubehörunternehmen oder internationale Speditionen.

Kanaren-Kai in London, reger Handel

Der Handel zwischen Großbritannien und den Kanarischen Inseln wuchs und der Archipel gewann immer mehr an Bedeutung als Drehscheibe und Handelspartner. Man handelte mit Salz, dem Farbstoff der Cochililla-Laus mit dem Farbstoff der Cochinilla-Laus3) und Zuckerrohr. Manche Erzeugnisse wurden eingestellt, das diese in der Karibik auf großen (Sklaven)Plantagen noch günstiger produzieren konnten, wie z. B. Zuckerrohr.

Dafür kamen neue Produkte aus Amerika, die auf den Kanaren ideale Wachstumsbedingungen vorfanden, wie z. B. Kartoffeln, Bananen und Tomaten.

Schließlich gründete der Geschäftsmann Mr. Blisse im Jahr 1885 in Telde die erste Tomatenproduktionsfirma für den Export, die noch im selben Jahr die erste Ladung nach London schickte.

Schon bald existierte ein eigener Kai und Lagerhäuser am sogenannten „Canary Wharf“ in London (Foto 03), von wo aus die Waren direkt an die Märkte Covent Garden, Borough, Brentford Market und Spitalfields geliefert wurden. Man muss berücksichtigen, dass es damals im Winter in „good old Europe“ kaum Möglichkeiten gab an frisches Obst und Gemüse zu gelangen. Noch heute heißt dieses Stadtviertel in London „Canary Wharf“, allerdigns ist es seit den 1980-ern durch den Bau von modernen Bürokomplexen es heute das neue, moderne Finanzzentrum der Stadt ist.

"Die Millers" - viel ‚Kohle‘ durch Kohlehandel

Alles begann mit dem schottischen Emigranten James Swanston Miller (1798 - 1855), der als 14-jähriger im Jahr 1812 nach Las Palmas de Gran Canaria kam. Allerdings war das gar nicht geplant, sondern einem höchst kuriosen Umstand geschuldet. Eigentlich wollte er zu seinen Cousin Thomas Miller in Saint Kittas auf den Antillen, der dorthin ausgewandert war. Doch wurde sein Schiff vor Teneriffa von Franzosen attackiert und die Passagiere ihrem Schicksal überlassen. Schließlich schaffte es der ambitionierte junge Mann nach Gran Canaria und fand sich sofort gut zurecht. Er bat seinen Cousin um etwas Geld und gründete 1820 die erste Handelsfirma in Las Palmas de G.C. mit dem Namen Swanston & Co.  

Sein Cousin Thomas Miller kam 1824 ebenfalls auf den Archipel und war mit der Portugiesin María Vasconcellos verheiratet. Mit ihr hatte er zwei Kinder (Diego und José Miller) und zwei weitere aus seiner ersten Ehe (Tomás und Enrique Miller Wilson).1924 gründete der Visionär und Geschäftsmann Thomas Miller das erste Unternehmen "Miller y Cía", das bis 1982 existierte. Er handelte mit Tomaten, Bananen, Cochinille und Tabak. 

Bald , denn er erkannte, dass Dampfschiffe die Segelschiffe ablösen würden und stieg groß in das Kohlegeschäft ein samt einem großen Kohlelager in Las Palmas de Gran Canaria. Der große Erfolg gab ihm recht. 

1854 gründete er gemeinsam mit seinen Söhnen Diego und José die Gruppe Miller mit Sitz in der Calle Triana 46 in Las Palmas de Gran Canaria, das noch immer existiert, allerdings ohne ein Mitglied der Familie Miller.

Das um 1900 errichtete Edificio Miller am Parque Santa Catalina ist nach ihm benannt. Die fünf der wichtigsten Kohlehandelsunternehmen im Hafen von Las Palmas waren britisch: Blandy Bros & Co. Coaling & Shipping, Cory Brothers, Elder Dempster, General Canaria de Combustibles. Doch die Weltkriege und die darauf folgende Rezession führten beinahe zum Erliegen des Schiffshandels und die mit Kohle betriebenen Schiffe wurden durch ölbetrienbene Schiffe abgelöst.

Sein Cousin James Miller Vasconcellos und Juan Swanston gründeten die Swanston & Co. und finanzierten den Bau der Muelle Santa Catalina im Puerto de la Luz im Jahr 1883 (siehe Foto li.). 

Gerard Miller Parry war Teilhaber der Miller & Co. sowie ein hochrangiger Diplomat und Kopf der britischen Nachrichtenagentur.

Export, Banken und erste Kreuzfahrten

Nachdem die Familie Miller schon seit Generationen fest etabliert war, handelte auch Sir Alfred Jones mit Kohle, doch nur mit mäßigem Erfolg. Allerdings setzte er den Grundstein für den kanarischen Bananenexport. Er trug die Bananen auch von anderen Inseln in Las Palmas zusammen, bevor diese ihren Weg nach London nahmen, wo sie überaus begehrt waren. Er war im Vorstand der Elder Dempster Shipping Co. Ltd., der Bank of British West Africa, Elders & Fyffes sowie Imperial Direct West India Mail Service Co. Ltd.

Zudem gelang es Sir Jones das Ticket für eine Fahrt von Liverpool nach Gran Canaria für 15 - 25 £ anzubieten. Er wollte damit britische Gäste anlocken und hatte Erfolg damit. Bald entstanden aufgrund der Nachfrage der Touristen weitere Unternehmen, wie z. B. Kleider-, Hut- und Schuhgeschäfte, Bars, Restaurants, Fotostudios und, last but not least, im Jahr 1885 auch Banken - bis dahin unbekannt. Viele weitere britische Banken folgten, zumeist auch in Kombination als Handelsfirmen, wie z. B. Lion Trade, Wilson Sons & Co., Blandy Brothers und Fyffes, Hudson & Co. Ltd.

Britische Touristen brachten viel Neues

Schnell waren Briten in einer größeren Anzahl als andere Nationen vertreten und das, obwohl sie von der einheimischen Bevölkerung nicht immer mit offenen Armen aufgenommen wurden. Doch man arrangierte sich zugunsten der vielen positiven Effekte auf die Wirtschaft. 

Ein sprunghafter Anstieg des bis dato nur wenig vorhandenen Tourismus verzeichnete man seit den Publikationen, wie„Tenerife and its Six Satellites“, von Olivia Stone, die für nichtspanischsprachigen Briten gedacht waren und erstmals 1891 erschienen, Ihr haben es die Kanarier auch zu verdanken, das wohl eine der wichtigsten archäologischen Fundstellen nicht gänzlich verloren gegangen ist. Sie erkannte bei ihrem Besuch in Gáldar den Wert der Cueva Pintada und appellierte nachdrücklich an die hiesigen Behörden.

Agatha Christie und andere Persönlichkeiten

Auch Agatha Christie, die weltweit erfolgreichste Schriftstellerin, mit geschätzten 2 Milliarden verkauften Büchern (!),wurde durch ihren Aufenthalt im Februar 1927 auf den Kanaren zum Schreiben inspiriert. Zuerst buchte sie eine Unterkunft in La Orotava auf Teneriffa, doch sagte es ihr dort nicht zu und so buchte sie nach einer Woche um und ging nach Gran Canaria. Dort nächtigte sie mit ihrer Entourage im damals angesagten The Metropole Hotel nahe demLas Canteras Strand  und schrieb an „The Companion“.

Weitere Persönlichkeiten

- Sir Winston Churchill, 1959
- Gregory Peck, 1955
- Prinz George, Duke of York, 1890
- König Alfonso XIII, 1906
- Duke und Duchesse of Connaught, 1910

Filmdrehs

Wie schon berichtet, waren die Kanarischen Inseln seit langer Zeit immer wieder Schauplatz für Filmaufnahmen6), wie z. b. Moby Dick mit Gregory Peck in der Hauptrolle im Jahr 1954.6)

Das Queen Victoria Hospital

Das Queen Victoria Hospital in der c/Sagasta n° 52 in Las Palmas de Gran Canaria wurde 1891 errichtet und war landläufig unter dem Namen „El Hospital Inglés“ bekannt. Die Initialzündung ging auf eine britische Krankenschwester zurück, die sich in aufopfernder Weise um kranke Matrosen und Schiffsbesatzung kümmerte, die aufgrund ihrer Krankheit hier von Bord mussten. Die Stadt unterstützte das Hospital mit kostenlosem Strom und Wasser und die Belegschaft, Ärzte, Schwestern etc., arbei teten voluntär. Einigen Ärzte, wie z. B. Dr. Parson

Dr. Parson, Dr. Baxter und Dr. Harrison, wird auch noch heute in höchster Anerkennung gedacht. Der Betrieb wurde 1966 eingestellt.

Sport „Import“ durch die Briten

Der älteste Golfclub Spaniens wurde auf Initiative einer Gruppe von Briten im Jahr 1891 gegründet. Der Real Club de Golf de Las Palmas ist auch heute noch aktiv und versprüht ein wenig koloniales Flair am Rande des Vulkankraters Caldera de Bandama. Designed wurde dieser schöne Platz vom Briten Mackenzie Ross.5)

Der im Jahr 1890 gegründete Cricket Club zwischen Santa Catalina und La Casa del Caminero war auch bei den Einheimischen beliebt. Gespielt wurde in allen erdenklichen Teamkonstellationen, wie z. B. Verheiratete gegen Singles oder Residenten gegen Touristen (Foto re.).

Tennis, anfänglich der Elite vorbehalten, begann weltweit populär zu werden nachdem sich 1874 Major Walter Wingfield die Patentrechte für das Equipment und die Spielregeln gesichert hatte. 1895 fand sich eine Gruppe Briten zusammen, um den Grundstein dafür auf den Kanaren zu legen. Anfänglich waren es gehobene Hotels (z. B. The Metropole, Hotel Santa Catalina), die die Möglichkeit zum Tennisspielen anboten und nachdem sich langsam ein Bürgertum in der Hauptstadt entwickelte, fanden auch immer mehr Einheimische Gefallen an diesem neuen Sport. Nachdem Sydney Montague den All-Spain Championship im Jahr 1907 gewonnen hatte, trat Tennis auch in den nationalen Fokus.

Holy Trinity Church

Mit dem Bau der ersten protestantischen Kirche „Holy Trinity Church“ im Jahr 1887 war auch für das seelische Wohl der britischen Residenten gesorgt.

Verweise:

1)Viva Canarias Nr. 88 vom 4.12.2015 Castillo de Mata - Burg & Blick im Stadtmuseum von Las Palmas de Gran Canaria

2)Viva Canarias Nr. 156 vom 6.10.2019 La Isleta in Gedenken an die Invasion de los Ingleses, Romería de la Naval

3)Viva Canarias Nr. 89 vom 12.6.2016  Exportgut - Ökofarbe der Cochinilla-Laus

4)Viva Canarias Nr. 152 vom 30.5.2019  Bewegte Geschichte des Tomatenanbaus auf den Kanaren - vom Hit bis zum Untergang

5)Viva Canarias Nr. 29 vom 15.2.2013  Schönes Spiel im ältesten Golfplatz Spaniens - am Abgrund der Caldera de Bandma

6)Viva Canarias Nr. 171 vom 1.1.2021 Das lukrative Filmbusiness, Hollywood entdeckt Kanaren als Drehspot