Ausgabe Nr.
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J M upload 03.11.2021, Viva Edition 181 | Print article

Faro de Maspalomas update: Eine Zeitreise in eine bewegte Geschichte

Das Befahren der Ozeane barg einst viele Gefahren. Neben starken Winden und hohem Wellengang waren es mitunter heimtückisch versteckte Sandbänke oder Riffe, die zur Katastrophe führen konnten. In den Nachtstunden war die Seefahrt noch viel gefährlicher. Die Menschen waren schon immer findige Wesen und errichteten als Hilfe zur Positionsbestimmung für die Seefahrer und zur Warnung vor Gefahren beleuchtete Befeuerungsbauten. Zu den ältesten und mit einer Höhe von bis zu 160 Metern einer der größten jemals errichteten galt der in der Antike, etwa um 300 v. Chr., gebaute Turm Pharos von Alexandria. Über 1.500 Jahre lang leuchtete er den Reisenden …

Auch auf den Kanarischen Inseln gibt es mehr als zwei Dutzend Leuchttürme. Zu den ältesten zählt der Faro de Maspalomas, der aufgrund seiner Bauart und Höhe, dazu noch in einer emblematischen Lage an den Dünen von Maspalomas, zum Wahrzeichen der Touristenhochburg avancierte.

Seine Lage markiert die südlichste Stelle der Insel, die zugleich der südlichste Punkt Europas ist.

Die bewegte Geschichte dieses historischen Schmuckstücks griff ich im März 2019 auf. Da in diesem vermaledeiten Monat mit Ausrufung des Lockdowns auch gleichzeitig drei Viertel der Kioske über Nacht geschlossen wurden und somit diesem interessanten Bericht nur wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde, erlaube ich mir hiermit dieses Thema nochmals aufzugreifen.

Eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert

​Wir tauchen in das Jahr 1861, wo der Schiffsverkehr, sei es Handel oder Passagierschifffahrt, immer mehr an Bedeutung zunahm und es die Notwendigkeit gab, die Transatlantikroute sicher passierbar zu machen. In selbigen Jahr wurde der Bau des Leuchtturms beschlossen. Die Klärung der Finanzierung verzögerte die tatsächliche Beauftragung bis ins Jahr 1884. Das veranschlagte Budget betrug 229.983,69 Peseten und niemand geringerer als der angesehene kanarische Architekt Juan de León y Castillo1) (siehe QR-Code) wurde mit der Planung und dem Bau beauftragt. Für die Errichtung waren zwei Jahre Bauzeit vorgesehen. Allerdings führten diverse Herausforderungen dazu, dass weder Budget- noch Zeitvorgaben eingehalten werden konnte.

Es geht los ... fast!

Dort, wo heute der prachtvolle historische Faro residiert und in seinem Umfeld das illustre Klientel der umliegenden 4-Sterne-Hotelanlagen anlockt und sich edle Boutiquen und feine Restaurants ein Stelldichein geben, war vor über hundert Jahren nichts. Gut, nicht nichts sondern vielmehr Wasser, Dünen und einige Palmen. Es gab keine befestigte Straße, die zu diesem südlichsten Punkt führte. In Agüimes an der Ostküste endeten die Spuren der Zivilisation und dahinter wurde es abenteuerlich. Ein unwegsamer Pfad konnte nur zu Fuß oder auf einem Pferd bewältigt werden. Das Baumaterial stammte jedoch aus der Gegend von Arucas im Norden und nur der robuste und widerstandsfähige Basalt, der für die Fassade verwendet wurde, konnte der salzhaltigen und feuchten Luft die Stirn bieten.

Der Transport auf dem Landweg fiel also ins Wasser, im wahrsten Sinn des Wortes, und die Verschiffung über den Seeweg erforderte, vor dem eigentlichen Bau des Leuchtturms, den Bau einer Rampe, wo dann auch das Brennöl für die Lampen und alle weiteren Materialien verladen wurden. Doch schon die ersten Bodenarbeiten zeigten auf, dass die Beschaffenheit einem derart hohen und schweren Gebäude nicht standhalten könne. Also musste zuerst ein profundes, zwei Meter dickes Fundament errichtet werden. All diese Faktoren trieben die Kosten in die Höhe und der neue Budgetbedarf wurde schließlich am 19. Juli 1886 genehmigt.

Der ganze Stolz: Leuchtturm 1. Ranges

Der Architekt wählte einen edlen blaugrauen Ton für die Fassade, weshalb die Zeitungen bei der Eröffnung Stolz als „Faro de primer orden“, also von „höchstem Rang“, beschrieben. Der zylindrische Turm misst zwischen 55 und 68 Meter Höhe, je nachdem welcher Quelle man glauben schenken mag. Auf jeden Fall zählt der Faro de Maspalomas zu den sogenannten „hohen Leuchttürmen“. Die Glaskuppel misst einen Durchmesser von 3,7 Metern und wurde in der Erstausstattung mit einer Beleuchtung der französischen Firma F. Barbier & Cie ausgestattet.

Mitten im Nichts, da wird’s teuer

In der Einsamkeit des Inselsüdens, umgeben von Wüste und Wasser, war der Arbeitsplatz als sogenannter Leuchtfeuerwärter schwer zu besetzen. Still und menschenleer war die Umgebung und der nächste Arzt mindestens 42 km entfernt, die auch nur in einer aufwändigen Reise zu Fuß oder auf dem Pferd zu bewältigen waren. Die „Job description“ alleine lockte nicht unbedingt die BewerberInnen und daher musste die Inselregierung etwas tiefer in die Tasche greifen, um ein entsprechendes „Schmerzensgeld“ zu berappen. Sie zahlte 0,5 Pesetas pro Tag, ein formidables Einkommen anno dazumal. Darüber hinaus bekamen der Wärter und seine Familie eine entsprechende Unterkunft, die keine Annehmlichkeit vermissen ließ.

Das Haupthaus wurde für damalige Verhältnisse gar luxuriös dimensioniert, denn dadurch sollten Streitereien, insbesondere aufgrund gemeinschaftlich genutzter Räumlichkeiten, vermieden werden. Es gab somit genügend Platz für drei Wärter samt ihrer Familien.Jede verfügte über ein eigenes Schreibzimmer und Waschräume im Erdgeschoss. Von dort zweigten die einzelnen Wohnräume ab und in der Mitte befand sich die zehn Meter hohe Galerie. Fensterläden an allen Öffnungen sollten vor Unwettern schützen. Die obere Etage konnte nur über eine im Westen montierte Holztreppe erreicht werden.

Inbetriebnahme 1890

Am 1. Februar 1890, um 17.23 Uhr wurde der Leuchtturm von Maspalomas erstmals in Betrieb genommen und brannte bis 6.34 Uhr des folgenden Morgens. In diesen 13 Stunden und 11 Minuten wurden 7 Kilogramm und 527 Gramm Petroleum verbraucht. Der Tank fasste knapp neunzig Kubikmeter und der darauf folgende Dauerbetrieb erforderte einmal im Monat eine Nachlieferung des Brennmaterials. Der Zylinder des Turms hat einen Durchmesser von 6,2 Meter und schmale, Stufen führen bis nach ganz oben.

Die Wiedereröffnung: Gut Ding braucht Weile 

Die Zeit hinterließ ihre Spuren und ab Mitte des 20. Jhdts. wurde der Leuchtturm nicht mehr persönlich betreut. Der Grund dafür war auch die Elektrifizierung des Leuchtfeuers, die im Jahr 1960 erfolgte und 13 Jahre später sogar vollständig automatisiert wurde – ergo „Leuchtfeuerwärter‟ wurden obsolet.

Viele Jahre fristete der Faro de Maspalomas einen Dornröschenschlaf, ein vergessenes Juwel inmitten einer der 

wichtigsten Touristenhochburgen Spaniens. Viele Ideen, Jahre und Streitigkeiten später, wurde schließlich die Renovierung beschlossen. Und auch diese sollte aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse immer wieder Verzögerungen nach sich ziehen. Ein Termitenbefall der historischen Holzvertäfelungen drohte diese zu zerstören und musste aufwändig durch Experten bereinigt werden. Gut Ding braucht eben Weile. 

Schließlich ist es gelungen, das Kulturgut und seinen ursprünglichen Charme zu erhalten und, wo erforderlich, moderne Elemente zu integrieren. Auf dem Dach des Wohngebäudes befindet sich nun eine Aussichtsterrasse mit Blick auf das Landesinnere, den Boulevard, die Dünen und das Meer.

Im Erdgeschoss wurde ein ethnografisches Zentrum eingerichtet, in dem das kanarische Brauchtum erläutert wird. Zudem können im angeschlossenen Shop, der von der kanarischen Vereinigung der Kunsthandwerker betrieben wird (FEDAC), authentische Souvenirs erworben werden. Ein Lift dient Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit. Ein Highlight ist das entzückende Puppenhaus aus dem Jahr 1930 mit 17 kanarisch möblierten Räumen in Miniaturgröße.

Tipp: Ethnografisches Museum im Erdgeschoss. Geöffnet: Täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr.

Tipp: Bis zum 9. November 2021
Große Kunsthandwerksmesse (Mercado de Artesanía de Gran Canaria), nur zertifizierte, kanarische Kunsthandwerker - siehe re. Seite.

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1)Viva Canarias Nr. 67 vom 5.12.2014 - „Casa Museo der Brüder León y Castillo in Telde“