Ausgabe Nr.
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J M upload 02.09.2018, Viva Edition 121 | Print article

American Football auf den Kanaren

Ahnungslos und somit unvoreingenommen schlitterte ich eines Tages in ein Spiel der Vienna Vikings, eine gar nicht unerfolgreiches American Football Team aus Wien. Es herrschte Partystimmung. Angeheizt vom Moderator und den lauten Klängen angesagter Musik sprangen die Menschen auf den Zuschauerrängen immer wieder von ihren Sitzen hoch, sangen und jubelten. Die Cheerleaderinnen1) trugen das ihre zur Atmosphäre bei. Die hübschen Damen kamen zwischen den Spielzügen immer wieder zum Einsatz und feuerten mit akrobatischen Einlagen und den obligatorischen Pompons die Menschen an. Die Spieler, hünenhafte ‚Fleischberge‘ formierten sich immer wieder neu und versuchten Raum in Richtung des gegnerischen Tors zu erkämpfen. Ich hatte Schwierigkeiten den Zügen zu folgen, denn der ‚Ball‘ wechselte derart schnell, dass man ein wenig Übung benötigt. Aber es war ein wunderschönes und aufregendes Erlebnis, dass man nicht so schnell vergisst.

American Football erobert die Kanaren

Über fünfzehn Jahre sollte es dauern bis ich mit diesem Trendsport wieder konfrontiert wurde. Es war während meinem Interview mit Maximilian Rieck, der mir seine Kampagne „Einfach mal Raus“2) vorstellte und American Football als Randbemerkung fallen ließ. Ich musste einfach nachhaken - American Football auf Gran Canaria? Ja klar! Dort spielt Maximilian mit, mehr noch, er ist sogar Kapitän. Jetzt bin ich noch gespannter, wie es dazu kam, nachdem er ja erst vor zwei Jahren hierher gezogen ist? 

„Ein Freund hat mich als ich 15 Jahre alt war zum ersten Mal zu einem Spiel mitgenommen. Es hat mir auf Anhieb gefallen. Mit meiner Körpergröße bringe ich zufällig auch noch die idealen Voraussetzungen mit. Ich habe zu spielen begonnen und später auch bei der deutschen Jugendliga (JFL Juniors) gespielt, wo wir 2010 Jugendmeister wurden. Ich habe im Internet recherchiert und aufgrund meiner Erfahrung hat man mir wohl gleich die Kapitänswürde zugesprochen. Denn in Deutschland hat American Football schon einen anderen Stellenwert und die Germanen zählen zu den großen Ligen Europas“, schmunzelt Maximilian ein wenig verlegen und zugleich mit ein wenig Stolz.

Beim American Football spielen mehrere Komponenten zusammen. Es geht um Geschwindigkeit und Taktik für die Spielzüge (besonders bei der Offense, die ja versucht Boden zu gewinnen) und um Kraft bei der Defense (die Kolosse versuchen zu verhindern, dass ein gegnerischer Spieler durchkommt).

 

Auf dem Archipel gibt es drei Teams. Das erste Team wurde bereits vor 15 Jahren als sogenannte 5-er Formation in Maspalomas gegründet und übersiedelte als Club vor einigen Jahren nach Ingenio und führt nunmehr als 9:9 Formation den klingenden Namen „Templar Tackle Team“. Vor fünf Jahren kamen zwei Teams auf Teneriffa dazu: Teneriffa Sea Knights und Pegasus.

Das Team ist gefordert - jeder Einzelne zählt

American Football ist ein Teamsport in dem jeder seine Rolle für einen Zug perfekt war nehmen muss. Funktioniert nur einer nicht, dann funktioniert das ganze nicht. Im Prinzip geht es darum Raum zu erkämpfen und dafür haben sie vier Mal 15 Minuten Zeit. An den Endzonen des etwa 91 Meter großen Spielfelds (100 Yards) steht ein Tor. Normalerweise stehen elf Spieler pro Team auf dem Platz und zwar entweder die Angreifer (Offense) oder die Verteidiger (Defense). Die Angreifer haben ab der Linie vier Spielzüge Zeit, um sich Raum in Richtung der gegnerischen Mannschaft zu erkämpfen. Und das ist alles andere als einfach, denn die menschlichen Schilde versuchen das zu verhindern oder den Ball abzufangen (Interception) … Der Kapitän feuert sein Team immer wieder an „Vamos Señores, vamos!“ und muss nach jedem Spiel für einige Tage seine Stimme quasi ‚auf Krankenstand schicken‘. 

Interessant (auch für uns Zuschauer) ist zu sehen, mit welch kreativen taktischen Formationen man versucht die Gegner zu täuschen etc. Und auch in Spanien hört man häufig Originalbefehle aus dem Amerikanischen, wie z. B. Shut Down oder Out. Wenn ein Pass nicht ankommt, dann hört man „Paso incompleto“. Wird ein Zug nicht korrekt oder fair durchgeführt, kommt es zum Faul „Penalty“ - dann fliegt dein gelbes Fähnchen (Flag) durch die Luft. Ist ein Trainer mit der Schiedsrichter Entscheidung nicht einverstanden, kann er ein rotes auf das Spielfeld schmeißen …. Jetzt könnte ich einen Roman schreiben, denn so unendlich lang ist die Liste der Regeln (aus dem Grund stehen in den USA gleich sieben auf dem Rasen). 

Sponsoren willkommen

Man darf nicht vergessen, dass American Football ein Kontaktsport ist und aus diesem Grund ist ein adäquater Schutz enorm wichtig, um die Verletzungsgefahr weitestgehend zu minimieren.

Besonders gefährdet sind Schulter, Kopf und Knie und natürlich der Mundschutz. Je nachdem in welcher Position man spielt (Offense oder Defense), gibt es die entsprechende Schutzkleidung. Der Helm ist dick gepolstert und besteht aus Hartschalenplastik. Die Basisausstattung beginnt bei mindestens 500 Euro. Allein ein gutes Schulterpad kostet ab 250 Euro und der Helm 300 Euro. Die Spieler müssen sich alles selbst finanzieren - Sponsoren wären höchst willkommen. Im Templar Tackle Team sind Menschen aus unterschiedlichem Background vertreten, Ärzte und Studenten, Informatiker, Kofferträger, Militärpolizei etc. „Wir freuen uns, dass wir in diesem Jahr neue Trikots erhalten haben, Jersey genannt“ sagt Maximilian bescheiden.

Kontaktsport mit Taktik

Bei jedem Spiel kommt es leider trotzdem zu ein bis zwei Verletzungen, aber verpflichtend hat jeder eine Sportversicherung abgeschlossen. Zusätzlich sind aber auch immer Ärzte dabei. Bei meinem Besuch am 7. Mai gegen die Sea Knights aus Teneriffa konnte ich mich davon überzeugen. Das war ein bewegender Moment, denn der angeschlagene Spieler schaffte es sich mit Anfeuern seines Teams aus eigener Kraft wieder zu erheben und die Zuschauer brachen in Jubel aus, dass glücklicherweise es doch nicht eine ernste Verletzung war.

Selbst die Schiedrichter auf den Kanaren sind keine Profis, sondern ehrenamtliche Kenner des Fachs. In letzter Zeit scheint das Interesse auf den Kanaren an diesem Sport stetig zu wachsen, wie mir auch Maximilian bestätigt. 

Fazit: Bei einem American Football Spiel herrscht eine ganz eigene Atmosphäre, unkonventionell und friedlich. Es ist ein Familienhappening. Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, dass die Spanier auf den Geschmack von Futbol Americano kommen. Überzeugen Sie sich doch selbst - die letzte Gelegenheit in dieser Spielsaison haben Sie am 2. Juni beim „I. Canary Bowl“ (siehe Kasten) - see you there!

Quellverweise
1)Das sind jene attraktive Damen, die das Publikum zum Beifall animieren sollen. Schön sein reicht nicht, denn Fitness ist gefragt. Es gibt inzwischen etliche nationale und internationale Cheerleader-Meisterschaften, in denen die sogenannten „Squads“ innerhalb des etwa dreiminütigen Auftritts Pflichtelemente präsentieren müssen. Teilweise haben diese akrobatische Elemente, sprich „Stunts“. In Deutschland gibt es seit 2003 als Unterorganisation der AFVD (American Football Verband Deutschland) eine Cheerleadervereinigung. Das bekannteste Team: Düsseldorf Panthers. Bei der diesjährigen Cheerleading WM in Orlando, Florid, hat das deutsche Nationalteam den vierten Rang in der Kategorie „Junior Team Hip Hop“ und den zweiten Platz in der Kategorie „All Girl Advanced“ sowie „All Girl Elite“ belegt. www.ccvd.de
2)Simon und Focken initiierte vor etwa zwei Monaten die Kampagne „Einfach mal Raus“ und will Deutsche dazu animieren sich für eine Stelle in ihrer Auslandsniederlassung Maspalomas zu bewerben und gibt sogar Starthilfe. Siehe Portrait in unserer Ausgabe Nr. 119 vom 5. Mai 2017 – www.viva-canarias.com