Ausgabe Nr.
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J M upload 26.09.2018, Viva Edition 144 | Print article

Außergewöhnliche Volkstänze auf den Kanaren - 'Folclore Canario'

Folkloregruppe im Open-Air Auditorium des Parque Doramas

Die kanarische Folklore ist sehr beliebt, besonders bei den Touristen, und darf auf keinem Volksfest fehlen. Über die Generationen hinweg wurden Lieder und Tänze mündlich weitergegeben, wobei im Laufe der Zeit auch Einflüsse von Außen dezente Spuren hinterlassen haben. Das Wort Folklore leitet sich aus dem Englischen ab (von „folk“ - dt. Volk, und von „Lore“ - dt. Überlieferung).

Volkstänze auf Fiestas (hier El Tablero)

Was wissen wir über kanarische Folkloristik?

Gemäß einiger Musikwissenschaftler reichen die Wurzeln der „Folclore Canario“ auf die Altkanarier zurück, die mit der Musik der Konquistadoren von der iberischen Halbinsel nach der Eroberung im 15. Jahrhundert verschmolzen sind. Die Musik spiegelt die kanarische Seele wieder, ihr Temperament und ihr Wesen und kennt somit humorvolle und fröhliche Varianten bis hin zu melancholischen Melodien und Texten.

Die Kanarischen Inseln haben eine lange Geschichte im Schiffsverkehr, besonders nach der Entdeckung der Neuen Welt. Der Schiffshandel nahm an Bedeutung zu und so verstärkten sich auch die Einflüsse in der Folklore durch Genueser, Briten, Juden und natürlich den Flamenco. Karibische Einflüsse kamen durch die Rückkehrer kanarischer Emigranten. Polka Rhythmen kamen im 19. Jhdt. dazu. Nur bei den beiden letztgenannten Tänzen durften sich die Tanzpartner berühren, zuvor galt dies als unmoralisch. Anfang des 20. Jhdts. kamen  internationaler Tänze, wie z. B. Foxtrott, Walzer, Rumba oder Pasodoble, die sich allerdings in der traditionellen kanarischen Folklore nicht widerspiegelten.

Folklore im Parque Santa Catalina

Keine Folklore ohne ihre Musikinstrumente

Jede Folklore hat ihre eigenen typischen Musikinstrumente. Zur echten kanarischen Volksmusik darf die Timple nicht fehlen, denn es ist quasi das kanarische Nationalinstrument. Man sieht häufig auch Trommeln, Gitarren und Lauten, seltener die Querflöte, Mandoline oder Ziehharmonika.

Tanzfeste auf den Kanarischen Inseln

Tanzen war auf den Kanaren schon jeher eine gute Gelegenheit für soziale Kontakte, die einst hauptsächlich in privatem Rahmen und zu besonderen Anlässen veranstaltet wurden. Die Geburt eines Kindes wäre beispielsweise so ein freudiger Anlass. Die Räume waren nicht groß und so schaffte man für die Tanzfeste einfach die Möbel raus, damit genügend Bewegungsfreiraum vorhanden war. Wenn die Männer einen Schluck Rum oder ein Gläschen Wein trinken wollten, dann mussten sie sich auf die Straße begeben, wo kurzerhand Tische oder Stühle aufgestellt wurden. Am Eingang zum Salon, wo getanzt wurde, stand meist ein Mann, der gelegentlich auch eine kleine Eintrittsgebühr verlangte. Wenn der Zutritt gratis war, dann war es üblich dem Gastgeber ein Geschenk zu überreichen.

Die drei populärsten Folkloretänze

Kehren wir zu den drei wichtigsten Tanzformen im "Folclore Canario" zurück.

• Isa - Aufgrund seiner fröhlichen Musik zählt dieser rhythmische Tanz zu den beliebtesten Volkstänzen. Die Musiker werden zumeist von Sängern begleitet. Originär wurde frei getanzt, doch allmählich haben sich verschiedene Ausprägungen entwickelt, ganz nach dem Motto „Hay una isa para cada isla“.

• Folía - Dieser Gruppentanz mit Ursprung aus Portugal hatte seine Vorgänger im Fandango und Bolero der iberischen Halbinsel und kam im 16. Jhdt auf den Archipel. Die Tänzer performen dabei mit ihren Chácaras, ähnlich der Kastagnetten.

• Malagueña - Abgeleitet vom Fandango hat sich der melancholisch anmutende Malagueña speziell auf den westlichen Inseln des Archipels durchgesetzt, wenngleich sich der Tanz von Insel zu Insel leicht unterscheidet.

Besonderheit auf La Gomera: Baile del tambor y chácaras

Während die Timple, ein gitarrenähnliches Instrument in kleinerer Ausführung, alle kanarischen Inseln erobert hat, gibt es auf der kleinen Insel La Gomera eine Besonderheit: Tambor Gomero. Dabei handelt es sich um eine Trommel aus Holz, die mit Leder von Zicklein bespannt ist.  An einer Seite ist ein Seil oder ein feiner Kupferdraht, der vom Spieler zum Stimmen verwendet wird.

In Kombination mit einer Art Kastagnetten (Chácaras), nur in einer leicht größeren Version, hat sich auf La Gomera in den 1950-er Jahren ein spezieller Volkstanz etabliert: Baile  del tambor y chácaras. Die Tänzer formieren sich in Reihen, wie einst an den Höfen, nur viel dynamischer. Ein Paar tritt aus der Formation und tanzt (die Männer mit den erwähnten Kastagnetten) und sukzessive gesellt sich nach jeder Strophe ein weiteres Pärchen dazu bis am Ende alle gemeinsam den „Baile del Tambor y chácaras“ tanzen. Die Lieder mit epischen Texten handeln zumeist von der Liebe und die Gedichte werden in Versen vorgetragen.

Einzigartig auf La Palma: ‚Zwergentanz‘ - La Danza de los Enanos

Ein einzigartiger Tanz hat sich auch auf der kleinen Insel La Palma entwickelt, der immer ein absoluter Höhepunkt der Patronatsfeiern darstellt: La Danza de los Enanos. Die frech/lustigen Protagonisten sind Tänzer, die eine besondere Montur tragen und den Zuschauern immer ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Erstmals wurde dieser Tanz 1833 erwähnt.

Im Jahr 1905 änderte sich  das Aussehen der Zwerge samt ihren markanten Hüten ein wenig und ist seitdem so, wie es heute präsentiert wird.

Die Kostüme erinnern an die Uniformen des französischen Hofs wobei die Köpfe überdimensional groß sind und jedes Gesicht trägt individuelle Züge, die auf historische Manier gestaltet sind und so eine eigene Persönlichkeit ausstrahlen. Die noch größeren Hüte, eine Art Karikatur des französischen Napoleonshut (oder auch Zweispitz genannt), unterstreichen den Eindruck, dass es sich bei den Tanzenden um Zwerge handelt. Eine markante Schleife ziert die schwarzen Schuhe, die zudem einen kleinen Stöckel haben, und weiße Stutzen ergänzen das Tanzkostüm, wie es sich gehört. Die Tänzer sind übrigens ganz normale Menschen mit gewöhnlichen Berufen, die einfach über Gesangstalent verfügen und gerne tanzen.