Ausgabe Nr.
Ausgabe Nr.
J M upload 15.12.2017, Viva Edition 129 | Print article

Zu Besuch beim 'König des Jamón Serrano', spanische Nationaldelikatesse

In meiner Kindheit war es zu Weihnachten noch üblich einen Korb zu erhalten – was allerdings kein Grund zum Kränken war, sondern zur Freude. Denn diese Geschenkkörbe waren normalerweise voll mit sündhaften Leckereien, die man sich während des Jahres nicht gönnte oder gönnen konnte, sei es Schinken, Kaffee oder Kaviar, Edle Schokoladen und Konfitüren etc.

In Spanien bzw. auf den Kanaren ist es nach wie vor üblich, Geschenkkörbe (sogenannte „Cesta“) zu verschenken oder gleich einen ganzen Schinken. Ein Weihnachten ohne den begehrten „Jamón Serrano“ ist für einen echten Spanier undenkbar. Sie kaufen ihn meist im Ganzen und spannen ihn dazu in eine Haltevorrichtung ein. So steht dieser Gaumenschmaus jederzeit bereit, ob zum Festmahl oder als Leckerei zwischendurch. Am besten schmeckt er in hauchdünne Scheiben geschnitten, das ist eine wahre Kunst.

Eine schöne Weihnachtsgeschichte ... Cafeteria Rey de Jamón

In vielen spanischen Geschäften wird jetzt vor Weihnachten der Jamón Serrano angeboten. Auf Gran Canaria gibt es ein Fachgeschäft im Mercado de Puerto in Las Palmas. Sehr zur Freude der Bewohner eröffnete endlich auch ein ‚Schinkenspezialist‘ im Süden der Insel und zwar ausgerechnet in dem Einkaufszentrum Ronda in San Fernando de Maspalomas. Meine liebe Freundin Daniela hat mich eines Tages in dieses von mir für gewöhnlich nicht frequentierte Zentrum entführt und zwar auf ein Frühstück in die Cafetería El Rey de Jamón (dt. Der König des Schinkens) für drei Euro. Dieser niedrige Preis weckte in mir ehrlich gesagt keine große Erwartungshaltung. Doch wieder einmal wurde ich im Leben eines Besseren belehrt: Probieren statt Vorurteile haben! Ein köstlich frisches Croissant mit etwas Jamón Serrano, ein duftender Kaffee und ein frisch gepresster Orangensaft und das tatsächlich zu diesem Preis. Wie kann das gehen?

Die gebotene Qualität, aber auch die Hintergründe, die dazu geführt haben, dass die beiden Besitzer dieses Lokal eröffnet haben, sind eine wunderbare Weihnachtsgeschichte …

Der 'König des Schinkens"

Ad persona steht hinter der Cafetería El Rey de Jamón ein Ehepaar, die Französin Nadine Bigeon alias „Mrs. Kaffee“, und ihr spanischer Ehemann Francesc Perarnan, alias „El Rey del Jamón“, einst Basketballspieler. Optimistisch und mit viel Liebe für die Menschen und hohem Anspruch an Qualität, haben beide diesen Schritt vor etwa sechs Wochen gewagt, denn davor lebten sie in Barcelona. Doch wie es das Leben will, hat sich ihr Sohn Dario während seines Studiums in Las Palmas in eine Kanarierin verliebt und ist hier geblieben.

„Meinen einzigen Sohn nur eine Woche im Jahr zu sehen bricht mir, wie jeder Mutter, das Herz“ schilderte mir Nadine ihren Beweggrund für den Umzug. Das Ehepaar wusste wenig über Gran Canaria und begann etwas blauäugig. Leider tappten auch sie in so einige Fallen, die auf einen arglosen Auswanderer zukommen können. Gleich bei ihrer Ankunft brach sie sich das Handgelenk und dann stürzte Nadine noch im selben Monat vom Fahrrad. Dazu kam die Gutgläubigkeit. Der vermeintliche seriös wirkende ‚Vermieter‘ verschwand über Nacht mitsamt der Vorauszahlung und der Bestuhlung des Lokals. Ich will das nicht näher ausführen, da Nadine meinte: „Das ist Vergangenheit, wir leben im Hier und Jetzt und konzentrieren uns auf das schöne. Wir haben es geschafft, trotz der Schwierigkeiten aufzusperren, aber nicht ohne die Unterstützung und Hilfe unserer benachbarten Geschäfte. Die einen borgten uns Tische, andere Stühle und so improvisierten wir ‚ein wenig‘. Zum Glück bin ich sehr kreativ und kann mit wenig Mitteln Hübsches zaubern.“ Das ist sie wirklich, denn mit der Umgestaltung der leeren Kaffeebehältnisse als dekorative Weihnachtsdosen hat sie als Recyclingkünstlerin echte Hingucker kreiert (siehe Foto nächste Seite).

Seit Jahrzehnten im Schinkenbusiness

Während Nadine sich um die Gäste im Café-Restaurant kümmert, ist ihr Mann für das fleischliche Wohl zuständig. Und in diesem Metier kennt er sich aus – obwohl nur als „Autodidakt“, wie er bescheiden formuliert. Schon vor Jahrzehnten hatte er auf der Iberischen Halbinsel eine Cafetería mit Jamónspezialitäten, wenngleich der Umsatz ungleich höher lag als hier auf Gran Canaria. Verkaufte er dort einen ganzen Schinken am Tag, so benötigt er hier im Rondo einige Tage dafür. Überzeugungsarbeit ist gefragt, sowie Geduld und Ausdauer. Francesc lernte also im Laufe der Zeit viel über das Produkt, arbeitet nach wie vor mit seinen besten und zuverlässigsten Lieferanten, kennt den Ursprung der Schinken, die Hintergründe etc. … Alle seine Jamón Serranos kommen aus den Hochburgen Extremadura und Salamanca.

Was ist sein Geheimnis?

Was macht diesen luftgetrockneten „Jamón“ mit seiner mild-aromatischen Note und dem zart-faserigen Fleisch zu einer Delikatesse und wo liegen die Unterschiede? Der Name leitet sich vom spanischen Wort „Sierra“ ab, denn der Schinken stammt vom Schwein und reifte an der frischen Bergluft. Heute ist die Herstellung und die Qualität der Rohschinken genau geregelt. Was den Geschmack und den Qualitätsunterschied ausmacht sind Faktoren, wie z. B. die Schweinerasse, das Futter sowie die Dauer des Reife- bzw. Trockenprozesses. Francesc erklärt uns: „Heutzutage dreht sich alles um Geld bzw. Kosten. Je länger das Fleisch reift, ähnlich wie beim Wein, desto besser ist es. Hier liegen die Unterschiede. Lebt ein Tier in der freien Natur und hat viel Bewegung an der frischen Luft, dann entwickeln sich auch die Muskeln besser. Fundamental ist die gute Ernährung der Tiere. Zudem beeinflusst die Qualität, ob es nach einem oder nach drei Jahren geschlachtet wird. Auf manchen „Granjas“ (Bauernhöfen) werden die Schweine geradezu verhätschelt wie Haustiere.“ Ich will mir das nun nicht zu bildlich vorstellen, um den Gusto auf diese Delikatesse nicht zu verlieren, wenn ich an die Tiere denke.

Den schmackhaften „Jamón Ibérico Cerdo Blanco“ gibt es in drei Qualitäten, Cerdo Blanco, Reserva und Gran Reserva (siehe Kasten „Jamón Qualitäten“).

PATA NEGRA IBERICO

Der Schinken Jamón Pata Negra Ibérico stammt von iberischen Schweinen mit mindestens 50 Prozent Rassereinheit. Prägnant sind die schwarzen Klauen der Tiere (span. Pata negra, siehe Foto). Sie werden ausschließlich mit Getreide gefüttert.

Die durchschnittliche Reifezeit dieses Schinkens liegt zwischen 8 und 36 Monaten. Erst ab einer Reifezeit von 15 Monaten darf der Schinken das Gütesiegel „Gran Reserva“ tragen.

PATA NEGRA BELLOTA

Die Königsklasse des Iberischen Schinkens ist der Eichelschinken „Pata Negra Bellota“, der zu dem Aushängeschild der spanischen Gastronomie geworden ist. Diese Schweine, ebenfalls mit den schwarzen Hufen, leben frei in den nährstoffreichen Korkeichenwäldern Spaniens. Sie ernähren sich von dem, was ihnen die Waldweiden bieten.

Wenn die Tiere 100 Prozent Rassereinheit haben und sich ausschließlich von Eicheln ernähren, dann zählt der Schinken mit seinem fein nussigen Aroma zur Königsklasse Pata Negra Bellota. Für diesen Rolls Royce unter den Schinken muss man logischerweise etwas tiefer in die Tasche greifen.

TIPPS FÜR ZUHAUSE

Wer sich einen ganzen Schinken für Zuhause kauft, der sollte einige Details berücksichtigen und Francesc erklärt uns welche: „Die ausgewählten Schinken kommen fertig im Paket und werden mitsamt Brett, Messer, Tüchern zum Abdecken geliefert – so wie man es hier sieht. Es fehlt quasi nur noch die Haltevorrichtung. Wichtig dabei ist, dass wenn der Schinken nun in seine neue waagrechte Position gebracht wird, man ihn einige Tage ruhen lassen muss, damit sich das Fett langsam nach unten bewegen kann. Erst dann schmeckt er hervorragend und seine dunkle rote Farbe tritt zum Vorschein. Ansonsten hat man die obersten Zentimeter nur eine Fettschicht.“ Er zeigt uns dies, indem er einen Schinken anschneidet (siehe Foto linke Seite).

„Wenn die Keule in der Haltevorrichtung eingespannt ist, muss man mit einem Messer geduldig und vorsichtig versuchen hauchdünne Scheiben abzuschneiden. Die entsprechenden Messer haben eine lange, aber schmale Klinge, um so die Kurven besser schneiden zu können. Ich schneide aus Tradition, bin aber kein Serrano Maestro. Es gibt sogar Wettbewerbe im Schinkenschneiden“, sagt der ‚König des Schinkens‘ im Rondo und fährt fort: „Dafür braucht man Geduld. Einmal kamen einige Jugendliche, die wollten schnell einige Brötchen mit Schinken für den Strand. Das geht nicht. Der Schinken sollte zeitnah nach dem Schneiden konsumiert werden und darf nicht stundenlang in der Sonne brutzeln.“

Nach dem Anschneiden hält sich der Schinken lange, einfach mit einem Tuch abdecken. In hauchdünne Scheiben geschnitten wird der Jamón Serrano klassisch meist mit Brot genossen. Dazu passt hervorragend ein milder (Ziegen)Käse und Oliven. Das Mahl krönt ein vollmundiger Rotwein, wie beispielsweise der Rioja Tempranillo Antaño. Den Schinken können Sie im Ganzen (pieza entero) von der vorderen Keule (Paleta) oder Hinterkeule (Jamón) erwerben oder sich den Schinken in der gewünschten Menge aufschneiden lassen.

Fazit: Seinen eigenen Weihnachtsschinken zu kredenzen macht insofern Spaß, dass man, neben dem Geschmackserlebnis, sich nicht stundenlang in die Küche absentieren muss sondern an der Tafel bleiben und die nette Gesellschaft genießen kann. Vielleicht eine Idee für ein „spanisches“ Weihnachtsmenü.

Guten Appetit!“

KONTAKT

Cafetería El Rey del Jamón
C. C. Ronda (im Foyer), San Fernando de Maspalomas.
Geöffnet: Täglich von 8.30 bis 20.30 Uhr
Bocadillo mit Jamón Pata Negra und einem Getränk: 5 Euro (plus 1 Euro für Wein oder Bier)
Frühstück mit einem kleinen Schinkenbrötchen, frisch gepressten Orangensaft und einem Kaffee: 3 Euro.

Auf Bestellung im Ganzen:

Hintere Keule (ca. 8 kg für 220 Euro), vordere Keule (ca. 4 bis 5 kg für 120 Euro), wird in einer Schachtel mit Zertifikat, Abdecktüchern, Schneidebrett und -messer sowie einer Flasche Wein geliefert (siehe Foto 04)