Ausgabe Nr.
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J M upload 02.09.2018, Viva Edition 118 | Print article

Polonium 209 – die Re- und Upcycling Trends

Umso schöner ist der Trend der letzten Jahre, der sich mit Recycling beschäftigt, sei es als Kunst oder Wiederverwendung für die Erschaffung von Gebrauchsgegenständen und Möbeln. Beim Recycling fließen als Ressource Altmaterialien, wie z. B. Papier, Glas, Kunststoffe, Metalle , Holz etc., zur Wiederverarbeitung zurück. Oder, man verleiht Objekten eine neue Identität. Upcycling ist dabei ein neuer Begriff, der aus „Altem etwas mehr als Neues macht“, sprich, die eingangs erwähnte zweite Bestimmung. Es gibt immer mehr Institutionen und (Fach)Magazine, die sich umfassend diesem Thema  wirdmen (Trends, Meinungen und Analysen bis hin zu den Fakten dieser sogenannten Kreislaufwirtschaft).

Pionier auf den Kanarischen Inseln

Der Madrilene Angel Fernandez lebt seit einigen Jahren in Las Palmas de Gran Canaria. Eigentlich ist er Architekt, doch hat ihn die Idee, sein eigenes ‚Ding‘ zu machen, nicht mehr losgelassen, zumal er dieses Konzept auf den Kanaren noch nicht vorgefunden hat. Vor drei Jahren gründete er „Polonium 209“ und somit reiht sich die urbane Hauptstadt von Gran Canaria an Metropolen wie London oder Berlin.

Der Name des Geschäfts steht eigentlich für ein radioaktives chemisches Element, doch auch für die Heimatstadt seiner Lebensgefährtin Florencia Hinze, die er liebevoll Flo nennt. Sie stammt aus Uruguay und ist Ärztin in einer Notaufnahme, eine emotional sehr anspruchsvolle Tätigkeit und so schätzt sie es sich in jeder freien Minute gemeinsam mit ihrem Freund kreativ auszutoben. „Ich kann so abschalten und meinen Kopf frei bekommen“ erklärt sie mir auf dem Weg zur Lagerhalle. Diese befindet sich kurz hinter Las Palmas und hat seine Glanzzeiten schon längst hinter sich gelassen und bei all den brachial anmutenden Spuren der Zeit des Gebäudes passt es seinem Zweck entsprechend irgendwie hervorragend.

Vintage trifft neue Verwendung

Wir tauchen ein in ein Potpourri an herrlichen alten Gegenständen, vornehmlich aus der Zeit von 1940 bis 1980. Der Charme eines Picknickkorbes aus den 1950ern, alte Lampen, Möbel, Sofas, Stühle etc. Die Liste wäre endlos, ein Stilmix par excellence, ein Vintage Paradies.

Nach meinem Rundgang erklärt mir der Jungunternehmer: „Ich habe dieses Lagerhaus im Dezember 2016 angemietet, weil ich keinen Platz mehr hatte. Begonnen habe ich, wie Apple Gründer Steve Jobbs, in einer Garage. Die Gegenstände haben wir anfangs nur im Rahmen der „Pop-Up Geschäfte“ ausgestellt. Diese hat das Rathaus von Las Palmas gesponsert und so konnten die Menschen unsere Arbeit kennenlernen und uns beauftragen.

Die Mund zu Mund Propaganda aufgrund unserer fertigen Produkte sorgte dafür, dass weitere Aufträge folgten. Ein Highlight war eine Kassentheke eines Geschäfts in Las Palmas, die ausschließlich aus verschiedenen Fenstern kreiert wurde. Fast jeder, der es betrat, fragte, wo sie das machen ließen. Und so war unsere Arbeit nicht nur für uns gut sondern auch für unsere Kunden.“

Die neue Lust auf (un)perfektes

Er bestätigt mit seiner Aussage die Erklärungsversuche internationaler Trendbeobachter und Menschen aus dem Metier. Demnach suchen immer mehr Individualisten überraschende Designs. Es ist ein Gegentrend zur Globalisierung und eine Reaktion auf die Vereinheitlichung. Immer mehr Menschen haben „Lust auf Un-perfektes“. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Warum sollte eine Industrielampe kein Beistelltischchen sein?

So einfach und so schnell, wie es sich jetzt liest, war es allerdings nicht. Angel musste viel Geduld, Arbeit und Hoffnung investieren bis seine Idee sich zu rechnen begann. Ohne seine Lebensgefährtin hätte er wahrscheinlich aufgegeben, denn am Anfang haben sie praktisch von ihrem Gehalt gelebt. Das plauderten sie aus dem Nähkästchen aus, doch was sein soll, das wird auch sein. 

Mehr als Umweltschutz und Kreativität

Ein weiteres Argument für einen Kauf solcher individueller Möbel und Accessoires scheint das Potenzial für Gesprächsstoff zu sein, das sie bieten sowie das Wissen der neuen Besitzer, dass sie einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz geleistet haben. Designermobiliar kommt jetzt vom Sperrmüll, oder?

Sie sind praktisch ständig auf der Jagd nach neuen ‚alten‘ Dingen und fahren mit ihrem kleinen Lieferwagen quer durch die Insel. Früher haben sie diese geschenkt bekommen, doch heute scheinen die Menschen mit allem Geld machen zu wollen, selbst wenn sie die Dinge ansonsten wegschmeissen würden. Manche ihrer Objekte und Möbel haben sie sogar von Rückwanderern. Besonders die Deutschen und Skandinavier legen Wert auf hohe Qualität und so kamen die Jungunternehmer zu einigen wirklich guten Grundmaterialien. Nicht alles ist geeignet wie beispielsweise die einer international namhaften Möbelkette ...

Wir machen alles

Angel erläutert mir seine Vision näher: „Wir machen alles und sind sehr flexibel. Die Kunden können fertige Accessoires und Möbel kaufen, oder sich etwas anfertigen lassen. Dabei involvieren wir sie von den Anfängen und nicht nur beim Maßnehmen involviert. Sie können, wenn sie das wollen, mitentscheiden hinsichtlich der Umsetzung, der Farbe etc. Die Kunden sind bis ins kleinste Detail involviert und haben am Ende eine viel engere Beziehung zum Objekt.“ 

Und nun kommt wahrscheinlich dieser zuvor erwähnte Gesprächsstoff dazu, den die Fachleute immer wieder argumentieren. Denn der Besuch muss ein außergewöhnliches Stück zur Kenntnis nehmen und Lob und Ehre ist somit auch dem Besitzer gewiss. Gut Ding braucht Weile. Und so reihten sich glücklicherweise durch Empfehlungen weitere Kundenaufträge an. Jeder, der selbständig ist kann sich an die Anfänge erinnern und ich freue mich immer für andere Jungunternehmer, wenn ihr Fleiss belohnt wird.

„Man wird von dieser Arbeit nicht reich, aber sie macht mir großen Spaß. Ich genieße es frei zu sein und nicht im Büro sitzen zu müssen und dabei meiner Kreativität freien Lauf lassen zu können“ erklärt mir Angel zum Abschluss. Angel scheint nicht nur kreativ zu sein, sondern auch flexibel. So stellt Pollonium 209 auch die Requisiten für Shooting-Sets zusammen, sie vermieten Objekte für besondere Anlässe und Events. Alles ist möglich lautet die Devise, man muss nur reden.

Eine Frage der Organisation

Viele Dinge behalten ihren Charme auf ewig, wie es scheint. Man fühlt sich mitunter in die Kindheit versetzt oder es kommen andere schöne Erinnerungen auf oder, man hat die Möglichkeit ein besonderes Objekt zu besitzen, das in seiner zweiten Bestimmung den Weg zu einer einzigen Person gefunden hat - nämlich zum neuen Besitzer. In diesem Sinne wünsche ich kreative Ideen und viel Erfolg!

Kontakt

Showroom in der c/Travieso Nº10, Triana, Las Palmas
Geöffnet: 9.00 bis 18.00 Uhr
Tel.: +34 928359902
Email: info@polonium209.com

Polonium 209 Lagerhaus
Restauration, Recycling und Auftragsarbeiten
Carretera del Rincón 103
Las Palmas de Gran Canaria
(nur nach Termin, spanisch, Tel.: 609 056 549)
Email: info@polonium209.com
https://polonium209.com/tienda/