Ausgabe Nr.
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J M upload 05.08.2018, Viva Edition 58 | Print article

Schlangen? Bioinvasoren gefährden heimische Tierarten

Schlangen auf Gran Canaria? Gibt es nicht - eigentlich. Allerdings entdeckte man im Jahr 1998 erstmals eine Kalifornische Kettennatter in einem Gelände in La Solanda im Barranco Real de Telde. Die Aufregung war groß unter der Bevölkerung, war sie doch bisher mit diesen exotischen Tieren noch nie konfrontiert worden.

Wie kommt eine kalifornische Schlangenart auf die Kanaren und wieviele Exemplare existieren tatsächlich? Und es sollte noch schlimmer kommen, denn wieso haben sich die Schlangen rasend schnell ausgebreitet? Immerhin wurden bisher 2.000 Exemplare auf Gran Canaria eingefangen.

Im Mai 2014 tagte die erste internationale Konferenz mit Experten aus den USA, Italien, Spanien und den Kanaren zum Thema „Exotische Reptilien als Invasoren“ in Telde. Auch weltweit stehen Regionen vor diesem Problem, dass sogenannte Bioinvasoren die heimischen Ökosysteme aus dem Gleichge-   wicht bringen. Brian Hinds referierte über die birmesische Riesenschlange, dem Tigerpython, der Einzug in Floridas Everglades gefunden hat und Robert Reed über die Invasion der Braunen Nachtbaumnatter auf der Insel Guam im Südpazifik. 

Für uns wohl am interessantesten sind die Beiträge über die Kalifornische Kettennattern, die seit 16 Jahren Gran Canaria in Schach halten.

Kalifornische Kettennatter erobert Gran Canaria

Kalifornische Kettennatter

Obwohl die ersten Exemplare im Jahr 1998 gefunden wurden, vermuten die Experten, dass die Schlangen wohl schon einige Jahre davor in die freie Wildbahn gelangten. Es erscheint als wahrscheinlich, dass diese entweder von einem Halter absichtlich ausgesetzt wurden oder unabsichtlich entkommen konnten. 

Die Königsnatter gilt bei Reptilienfans, die erste Erfahrungen mit Terrarien sammeln, als „Einsteiger-Schlange“. Auf jeden Fall muss man beide mögliche Ursachen als verantwortungslos bezeichnen und von den wahren Verursachern fehlt nach wie vor jede Spur.

Die Einbürgerung und die rasende Verbreitung

Zwischen 2005 und 2007 stellte man zwanzig Exemplare sicher, einige davon im Norden der Insel. Im Sommer 2007 wurden schließlich hunderte von ihnen im Barranco rund um La Solana gesichtet und das Jahr wurde von den Experten auch offiziell als Einbürgerungsjahr der „Lampropeltis getula californiae“ festgelegt. 

Von September 2011 bis Ende 2013 wurden schließlich 950 Kettennattern eingefangen, wobei bei mehr als der Hälfte (508) Bürger mithalfen. Bis 2013 verbreiteten sich die Schlangen schließlich auf eine Fläche von 78,9 Quadratkilometer, vornehmlich in den Kernzonen rund um Telde bis Valsequillo, gefolgt von Gáldar (siehe Skizze auf der nächsten Seite). Einige Exemplare wurden auch außerhalb dieser Zonen, wie beispielsweise im Südosten der Insel, gesichtet. In den ersten vier Monaten 2014 wurden bereits 264 Exemplare eingefangen.

Internationale Zusammenarbeit

Albino-Schlange, Foto: Life+Lampropeltis

Im Jahr 2011 rief man die EU um Hilfe und initiierte das Projekt „Life + Lampropeltis“. In Zusammenarbeit mit der Insel- sowie Kanarenregierung, dem Biologiekollegium, dem Kanarischen Notrufdienst 1-1-2, GesPlan sowie der spanischen Vereinigung AHE (Asociación hepertológica Española) wurden Maßnahmen zur Auffindung der Schlangen identifiziert. 

Das primäre Ziel ist, die Schlangenpopulation zu verringern. Ein weiteres Ziel ist die Forschung und Analyse der hiesigen Lebensgewohnheiten dieses „tierischen Einwanderers“ (Ernährung, Lebensdauer, Vermehrung etc.). Inzwischen liegen umfangreiche Studien über den Lebensraum und die Lebensweise der „illegalen Einwanderer“ vor, die bei der internationalen Tagung vorgetragen wurden und die wir in diesem Artikel einfließen ließen.

Keine Feine und viel Futter

Das Fehlen natürlicher Feinde auf Gran Canaria und die idealen Lebensbedingungen trugen u.a. dazu bei, dass sich die Kalifornische Kettennattern rasend schnell verbreiteten. Während sie in kühleren Klimaten üblicherweise drei bis sechs Monate überwintern, erscheint dies bei den kanarischen Temperaturen nicht notwendig zu sein.

Heimische Tierarten bedroht

Ein weiterer wesentlicher Faktor sind die reichen Futterquellen auf der Insel, denn die Schlangen ernähren sich vorwiegend von Reptilien, kleinen Vögeln, deren Eier und kleinen Säugetieren. 

Bei letzteren entwickelt sich inzwischen ein großes Problem, denn es ist sogar das Gleichgewicht einiger heimischer Tierarten bedroht, wie z. B. der Echsen „Lagarto Gigante“ (Gallotia stehlini), „La Lisa de Gran Canaria“ (Chalcides sexlineatus) und der Tarentola boetgeri (perenquén). Die Invasoren sorgen also dafür, dass die Grancanarische Biodiversität aus der Balance geraten ist. Man setzt also mit dem Projekt alles daran, um deren Einfluss auf die Biodiversität von Gran Canaria zu reduzieren und die einheimischen Tierarten zu schützen.

Steckbrief Kalifornische Kettennatter

Bei der „Culebra real de California“ (Lampropeltis getula californiae) handelt es sich um die am weitesten verbreitete Art der kalifornischen Schlangen. Bei uns wird sie als Kalifornische Kettennatter bezeichnet. Sie erreicht eine Länge von 120 bis 180 Zentimetern.

Der Kopf ist vom Hals kaum abgesetzt. Die Grundfarbe ist dunkelbraun bis schwarz mit weißen oder gelben Querbinden. Es gibt bis zu 70 verschiedene Färbungsvarianten der Längsbänder und Querbinden. Allerdings gibt es auch häufig natürliche Mutationen als Albinos, die auf Gran Canaria sehr häufig vertreten sind.

Ihr bevorzugter Lebensraum ist sehr weitschichtig und reicht von Wiesen, Gestrüpp, Wäldern und feuchten Zonen, wie z. B. Flussbett, bis hin zu felsigen und wüstenähnlichen Gegenden. Hauptsächlich wurden die Nattern auf Gran Canaria unterhalb von 900 Metern gesichtet, kommen aber sonst in Höhen bis zu 1.800 Metern vor. Vermehrung: Sie legen zwischen drei und 24 Eier. 

Normalerweise sind es scheue und zahme Tiere. Wenn sie sich bedroht fühlen und nicht fliehen können, dann verspritzen sie eine übel riechende Flüssigkeit. Sie beißen nicht und sind nicht giftig!

Sie ernähren sich vorwiegend von Reptilien, kleinen Vögeln, deren Eier und kleinen Säugetieren. Ihre Beute nehmen sie anhand deren Bewegungen und mit ihrem Geruchssinn wahr, die sie entweder an Steinen oder an Wänden erdrücken oder sich um sie schlängeln und erdrosseln. Nach zwei Jahren sind die Nattern geschlechtsreif.

Noch mehr Infos über die Kalifornische Kettennatter auf Gran Canaria: www.lifeampropeltis.es