Ausgabe Nr.
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J M upload 04.02.2021, Viva Edition 172 | Print article

Archäologiewanderung: Hombre de Guayadeque und Morros de Ávila am Montaña de Agüimes

Wieder einmal locken uns die Geheimnisse der Altkanarier auf Spurensuche. Dieses Mal haben wir die Fährte des „Hombre de Guayadeque“ aufgenommen, große Felsgravuren mit menschlichen Darstellungen. Die Hauptfigur stellt, wie schon der Name erahnen lässt, eine männliche Person dar und ist inzwischen zu einem Symbol kanarischer Identität geworden, das vielerorts sogar als Logo Einzug gefunden hat.

Wir haben Sie im Laufe der Zeit an viele sehenswerte „yacimientos“, also archäologische Fundstellen, entführt (siehe Top 5 - QR-Code Top 5 Archäologieausflüge auf Gran Canaria ). Manche sind eingezäunt und nur zu bestimmten Öffnungszeiten zugänglich, wie z. B. der Archäologiepark von Gáldar. Der Zugang ist zu Zeiten der Einschränkungen durch die Gesundheitskrise nicht überall gewährleistet. Andere sind jederzeit frei zugänglich, wie das gegenständliche Objekt der Begierde, das sich auf dem Montaña de Agüimes befindet.

Zwei auf einen Streich

Die Felszeichnung des „Hombre de Guayadeque“ können Sie nur in Kombination mit einer kurzen Wanderung besichtigen, aber der Besuch lohnt sich aus mehreren Gründen. Der ikonische Petroglyph ist auf der kleinen Felsformation Morro del Cuervo“ angebracht, die sich wiederum auf dem Hügel des Montaña de Agüimes befindet. Wenn Sie den Grat dieses Hügels ein Stück weitergehen, gelangen Sie zur ebenfalls sehenswerten Höhlenformation „Morros de Ávila“ mit den Wandmalereien der indigenen Bevölkerung.

Der Weg ist das Ziel: Montaña de Agüimes

Mit der verheißungsvollen Energie der ‚goldenen Morgenstunde’, gut versorgt mit Kaffee in der Thermoskanne, ausreichend Wasser und jeder Menge köstlich belegten Brötchen brechen wir frühzeitig auf. Wir, das sind mein Fotograf Eric Jan de Ruiter, meine Wenigkeit und ‚König Juan‘. Letzterer ist mein identitätsverwirrter und verwöhnter Yorkshire Mix, dem die frühe Stunde des Aufbruchs gar nicht behagte und mich das auch wissen ließ.

Wir fuhren die Autobahn GC-1 nordwärts, nahmen die Abfahrt zum Cruce de Arinaga und folgten den Hinweisschildern in Richtung Agüimes. Unmittelbar nach der Ortseinfahrt bogen wir rechts ab zum Fußballplatz und parkten in der c/Taburiente. Vor uns breitete sich die Hügelkette Montaña de Agüimes aus. Dank der regenreichen Tage präsentierte sich dieser ansonsten in leuchtend rot-brauner Erde dominierte Boden in sattem, einladendem Grün. Dafür sorgten unzählige Tabaiba-Sträucher. Bäume …? Fehlanzeige! Doch das trübte diesen Ausblick nicht, es sorgte sogar für eine individuelle Note. Wir begaben uns schließlich auf den Schotterweg, der zum Hügel hoch führt und ließen die Stadt Agüimes hinter uns.

... an the Oscar goes to: Juan

Mein Mangel an körperlicher Ertüchtigung in den letzten Wochen forderte seinen Tribut. Schon nach wenigen hundert Metern ging mir die Puste aus und ich war dankbar, dass Juan seine olfaktorische Wahrnehmung an vermeintlich jedem Strauch zu befriedigen gedachte. So konnte ich unauffällig Zwischenpausen einlegen. In einer dieser Ruhephasen zu Beginn der Wanderung, während ich in der Hocke versuchte zu Atem zu gelangen, beobachtete ich meinen Hund. Er hatte alle Zeit der Welt und schloss in Zeitlupe auf uns auf - wieder einmal. Doch plötzlich fühlte er sich ertappt und ergriff seine Chance. Juan blieb stehen und blickte mir entgegen, seine Augen öffnen sich nach einem vermeintlichen Gedankenblitz hoffnungsfroh. Nach einer kaum merklichen Pause hob er sein Pfötchen auf höchst elegante Weise. Allerdings stellte diese Geste keine Aufforderung für einen Handkus dar. Nein! Juan signalisierte mir, dass er fürchterliche Schmerzen habe und ein weiteres Voranschreiten mit dieser kaputten Pfote keinesfalls zumutbar sei.

Augenblicklich nahm ich, als seine wohlerzogene Hundemama, gepeinigt von schlechtem Gewissen, den kleinen in die Arme und trug ihn den Rest des Weges hoch. Und währenddessen wurde mir schwer schnaufend bewußt, dass Juan für seine grandiose schauspielerische Leistung bei der nächsten Oscarverleihung unbedingt nominiert werden sollte. Er hielt es nicht einmal für nötig, sein gelangweiltes Gesicht zu kaschieren. Schritt um Schritt arbeiteten wir uns auf einem Trampelpfad hoch auf den ‚Gipfel‘ dieses Hügels, der entlang des Grats schnurschtracks zu den Morro del Cuervo führte.

Ein leichter, jedoch kühler Wind wehte uns um die Ohren - fast wünschte ich mir, Ohrenschützer zu besitzen. Doch die herrliche Luft roch frisch und der Ausblick war einfach herrlich. Die sanft abfallenden Hänge zu beiden Seiten waren dicht bewachsen und boten auf jeder Seite herrliche Panoramen: die Stadt Agüimes, die hohen Bergkämme im Landesinneren, die landwirtschaftlichen Anbauflächen zu unseren Füßen, die Küste und das Meer am Horizont.

Die Erkundung dieses archäologischen Kleinods war alleine aufgrund des bezaubernden Wegs ein Highlight. Wir passierten einen Strommasten, eine Sendestation, ein brachliegendes Trinkwasserreservoir und gelangten letztendlich zur einzigen Erhebung weit und breit: Morro del Cuervo (siehe Foto re. o.).

Petroglyph: Hombre de Guayadeque

Eric war, wie üblich, bereits angelangt und jubelte mir freudestrahlend auf eine Felswand deutend entgegen und schrie „Hombre de Guayadeque“. Endlich kam auch ich an und erblickte ‚ihn‘. So, das war er nun - der große Hombre de Guayadeque … klein, viel kleiner als ich ihn mir vorgestellt hatte - er maß kaum 70 Zentimeter. Dieser zum Kulturgut deklarierte Petroglyph, der leider immer wieder von Vandalen attackiert wurde, musste zuletzt erst im Oktober 2019 im Auftrag des Kulturministeriums von unwillkommenen Graffities gereinigt werden. Links vom „Hombre“ befinden sich weitere Figuren (siehe Foto 003).

Die Felswand ist nach Osten ausgerichtet, ein unbeschreiblich schöner Ausblick. Insgesamt sind dort sechs menschliche Darstellungen angebracht. Eine kleine kreisrunde Ebene lädt zu einer Rast ein und meine Gedanken hoben nach der verdienten Ruhepause ab. Kein Lärm, keine Menschenseele, nichts, was diese entspannende Stille zerstören konnte.

In der Ferne beobachtete ich das emsige Treiben auf der Autobahn und vernahm dann und wann das Gackern eines Huhnes oder den Gesang einiger Vögel. Die Sonne stand noch nicht am Zenit und wir blickten auf ein schmales Wolkenbands. Hier muss Reinhard Mey die Textzeile „Über den Wolken muss die Welt wohl grenzenlos sein“ eingefallen sein, denn ich fühlte es jetzt selbst.

Morros de Ávila

Nach unserer Stärkung setzten wir unseren beschaulichen Weg fort und schlenderten den Grat entlang der Hügelkette. Nach etwa zehn Minuten gelangten wir zu den Höhlenformationen von Morros de Ávila, die in der nächsten und einzigen Erhebung in dieser Gegend zu finden war.

Eine kreisrunde Steinmauer umgibt den Eingang zu der geräumigen Höhle, in der sich Malereien der indigenen Bevölkerung befinden. Reste von dreieckigen Ornamenten in rot und weiß - allerdings nur noch schwer auszumachen. Löcher befinden sich im Boden und Einkerbungen an den Seitenwänden, die einst verschiedenen Wohnzwecken dienten: als Schlafkammer, Aufenthaltsraum oder auch als Lagermöglichkeit. Von hier aus geht es  weiter zur zweiten Höhle und die Öffnungen an der Decke lassen genug Licht ein, sodass das Ambiente heimelig wirkt.

Ausgeruht und positiv motiviert machten wir uns auf den Rückweg. Die Kurve des Trampelwegs ignorierend, wählten wir eine zu diesem Zeitpunkt beschlossene Abkürzung. Allerdings hat uns diese ‚Abkürzung‘ drei zusätzliche Kilometer Wegstrecke eingebrockt. So wurden aus vermeintlich fünf Kilometern stolze acht! Am Rückweg wählten wir an der Gabelung aus Versehen den Weg rechts. Dieser führte uns in das Becken von Agüimes und wir mussten auf unebenem Terrain die restliche Strecke meistern.

Dafür wurden wir mit romantischen Nischen und entzückenden landschaftlichen Eindrücken belohnt (siehe Foto re. Seite). Natternköpfe, Opuntien, Schilf, Felswände und emsig herumkreisende Vögel schmeichelten unseren Augen.

Allerdings ist der Weg, aufgrund der großen runden Steine und der unebenen Fläche, schwieriger zu begehen. Immerhin musste ich ‚König Juan‘ nicht mehr auf meinen Armen tragen. Er schien nun ausgeschlafen und gut gelaunt zu sein und schwänzelte voran. Juan hatte sein vermeintlich ‚kaputtes Pfötchen‘ wohl vergessen. ‚Ja, er leidet wohl an einem Kurzzeitgedächtnis‘, dachte ich mir schmunzelnd und wunderte mich nicht wirklich, dass er wieder einmal seinen Kopf durchgesetzt hatte.

Fazit: Dieser Archäologieausflug einschließlich der Wanderung ist binnen eines halben Tages zu schaffen. Jetzt in der Winterzeit ist zu jeder Tageszeit der ideale Zeitpunkt für eine Besichtigung. Entspannung pur, keine Kosten und keine Covid-19 Gefahr.

Viva Tipp: Sie können von hier aus in den überaus sehenswerten Barranco de Guayadeque anknüpfen, wo Sie beispielsweise im Höhlenrestaurant eine Stärkung zu sich nehmen können  (siehe Bericht in dieser Ausgabe).

Bildunterschriften
001: Grat auf dem Montaña de Agüimes auf dem Weg zu den Felszeichnungen
002: „Hombre de Guayadeque“ und 003 - weitere Felszeichnung
004: In der Höhle Morros de Ávila (Reste von Felszeichnungen)
005: Einfassung vor dem Eingang der Höhle, 006 Blick aus der Höhle hinaus.