Ausgabe Nr.
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J M upload 02.03.2021, | Print article

Edificio Miller: vom Handels- und Kohlelager zum Kulturzentrum

Die interessante Geschichte des Edificio Miller geht einher mit jener der Familiendynasie Miller, die mit dem Schotten James Swanston Miller (1798 - 1855) begann. Als 14-jähriger machte er sich auf den weg zu seinem Cousin (Thomas Miller), der Jahre zuvor auf Kittas in den Antillen ein neues Leben begann. Zu dieser Zeit herrschte große Armut in seiner Heimat Schottland, wie auch in vielen Regionen. Die Industrialisierung kostete Arbeitsplätze und gleichzeitig wuchs die Bevölkerung überproportional an, da die Kindersterblichkeit durch Impfungen stark zurück gegangen ist. Allerdings sollte alles anders kommen, denn vor Santa Cruz de Teneriffa attackierten Franzosen das Schiff und entließen alle von Bord.

Irgendwie schaffte es Swanston die Reise bis nach Las Palmas de Gran Canaria fortzusetzen, wo zu dieser Zeit bereits eine kleine schottische Community vorhanden war. Der aufgeweckte, geschäftstüchtige Junge hatte ein Talent zum Handeln und borgte sich von seinem Cousin das Startkapital für seine erste Handelsfirma, die er im Jahr 1820 gründete: Swanson & Co.

Es lief sehr gut an und schon vier Jahre danach kam sein Cousin ebenfalls nach Gran Canaria und gründete 1824 das Unternehmen Miller & Co., worauf das Familienvermögen und die Tätigkeiten sich sukzessive vergrößerten. Das Handelsvolumen wuchs unaufhörlich, z. B. mit Bananen, Kartoffeln, Tomaten, Tabak, Zuckerrohr, Rum, Melasse etc. 

Bald  liefen die Transportschiffe den speziellen ‚Kanaren-Kai‘ ("Canary wharf") im Hafen von London an, von wo aus die Waren entweder an die umliegenden Märkte (z. B. Content Garden) verteilt wurden oder, einige Zeit später, weiterverschickt wurden. Besonders in den Wintermonaten, wo es in ganz Europa kaum frisches Obst und Gemüse gab, war der Bedarf enorm.

Die Attraktivität der kanarischen Häfen wuchs für den Handel im Jahr 1852 nochmals, als sie den Sonderstatus "free ports" erhielten. Dadurch wurde der Warenhandel von teuren Zöllen, die das Protektorat Spaniens zum Schutz der heimischen Wirtschaft eingeführt hatte, verschont. (Anm.: Der Suez Kanal wurde erst 1869 eröffnet). Ende des 19. Jhdts. stammten 56 Prozent der Importe aus Großbritannien und dem gegenüber stand Spanien mit knapp sechs Prozent.

Besonders Lukrativ zeigte sich die Expansion mit dem Einstieg in das Kohlegeschft für die Miller-Dynastie. Segelschiffe wurden im 20. Jhdt. durch Dampfschiffe verdrängt und gleichzeitig nahm der weltweite Handel bzw. Passagierfahrten stark zu. Die Kanaren entwickelten sich zu einem festen Anlegepunkt vor der Weiterfahrt, sei es über den 'großen Teich' in die Neue Welt oder zum Handel mit Indien und Fernost  Umgekehrt kamen viele Waren an, die in den Re-Export gingen. Wenngleich auch viele andere britische Unternehmen Repräsentanzen oder Niederlassungen eröffneten, zählten die Millers zu den einflussreichsten und vermögendsten Familien.

Vice versa wuchs auch auf dem Archipel mit dem Anstieg der Bevölkerung die Nachfrage nach Produkten, insbesondere für jene, die es auf dem Archipel nicht gab, wie z. B. Textilien, Bekleidung, Luxusartikel, technische Geräte, Accessoires, Einrichtungs- und Dekorationsgegenstände et.

Jedenfalls konnten die Millers jede einzelne Fahrt gewinnbringend durchführen und Leerfahrten vermeiden, von der Neuen Welt über die Kanaren bis nach Großbritannien und umgekehrt. Sie finanzierten größtenteils und in Zusammenarbeit mit der britischen Community den Umbau des alten Kai am Parque San Telmo, um ihre Waren leichter verladen und entladen zu können.

Um 1900 ließen sie schließlich das Lagerhaus am Parque Santa Catalina errichten, das genügend Platz für Waren und die Kohle bot. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg versiegte der Bedarf daran, mit den neuen, Öl betriebenen Schiffen.

Kulturgut - Multizeweckhalle

Im Jahr 2000 hat das Rathaus von Las Palmas de Gran Canaria dieses geschichtsträchtige einstige Lagerhaus der Miller Dynastie, die über Jahrhunderte eng mit der Geschichte der Stadt verwoben war und einen großen Einfluss auf den Handel und die Wirtschaft hatte, übernommen.

In einem Teil des Gebäudes ist das Technikmuseum Elder untergebracht (siehe Berühren erwünscht - Technikmuseum Elder in Las Palmas ). Der andere Teil dieser ehemaligen Lagerhallen am Parque Santa Catalina steht normalerweise bei den alljährlichen Karnevalsfeiern im Fokus, denn dann ist hier der Backstage Bereich der Künstergilde der „carnvaleros“. Die Festbühne wird traditionell genau davor installiert und der Zuschauerbereich befindet sich auf dem Platz Santa Catalina davor.

Jetzt wird das Gebäude als Veranstaltungshalle für alternative Kunst verwendet. Unter dem Motto „mi arte, mi música, mi sitio“ finden regelmäßig Ausstellungen, Konzerte, Messen, Feste und sonstige Feste, wie z. B. das Filmfestival, statt.