Ausgabe Nr.
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J M upload 30.03.2012, Viva Edition 06 | Print article

Die Gicht, Phänomen der Wohlstandsgesellschaft

Derzeit erkranken 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung an Gicht, die die Folge von andauernd erhöhtem Harnsäurespiegel im Blut ist. Dieses Phänomen ist in den Wohlstandsgesellschaften Europas und Nordamerikas mit ansteigender Häufigkeit zu beobachten. Harnsäure entsteht im menschlichen Stoffwechsel als Endprodukt des Purinabbaus. Die Erhöhung der Harnsäure ist fast immer genetisch bedingt. Somit handelt es sich also um eine Veranlagung, bei welcher eine unzureichende Harnsäure-Ausscheidung besteht und es so zu einem Harnsäureanstieg im Blut kommt. In der Verwandtschaft Gichtkranker findet man daher häufiger erhöhte Harnsäurewerte als bei der restlichen Bevölkerung.

Männer eher betroffen

Gicht ist Männersache, bei Frauen kommt sie vor Eintritt in die Wechseljahre praktisch nicht vor: das Geheimnis heißt Östrogen, welches so ganz nebenbei die Harnsäure-Ausscheidung fördert. Erst in späteren Lebensjahren bzw. -jahrzehnten können auch Frauen von der Gicht eingeholt werden. Ein falsches Eß- und Trinkverhalten spielt daneben eine wichtige, krankheitsfördernde Rolle. Ob Alexander der Große oder Isaac Newton, ob Charles Darwin oder Ludwig XIV., die Liste der historischen und prominenten Gichtpatienten ist außerordentlich umfangreich. In damaligen Zeiten war es eben nur den Prominenten möglich, einen ausschweifenden Lebensstil - vor allem in Sachen Essen und Trinken - zu führen: „Luxusernährung“ kann eben sehr purinreich sein - und schon steigt die Harnsäure an!

Die Stadien der Gicht

Natürlich gibt es auch bei der Gicht (wie fast überall in der Medizin) eine Stadieneinteilung. Stadium I ist frei von Symptomen oder Beschwerden; dieser Zustand kann Jahre oder gar Jahrzehnte andauern. Stadium II ist gekennzeichnet durch das Auftreten eines oder mehrerer Gichtanfälle mit hochakuter und extrem schmerzhafter Gelenkschwellung (zu 90% nur 1 betroffenes Gelenk, meist ist es das Großzehengrundgelenk). Im Stadium III, dem sog. interkritischen Stadium, kann wieder Ruhe einkehren, auch über längere Zeit. Bis zum nächsten Anfall! Schließlich gibt es das komplexere Stadium IV, auch als chronisches Stadium bezeichnet. Hier haben wir es mit der Entstehung von Nierensteinen, mit Knorpelschädigungen und auch sekundären Arthrosen und vor allem andauernden Gelenkschmerzen zu tun.

Was ist zu tun?

Im akuten Anfall wird der Arzt gebraucht. Zum Einsatz kommen starke entzündungshemmende Medikamente, meist aus der NSAR-Familie, welche gleichzeitig abschwellend und schmerzlindernd wirken (z. B. Voltaren, Ibuprofen, Dexketoprofen) oder auch Coxibe (Arcoxia). Auch Colchizin kann eingesetzt werden, Cortison eher seltener. Korrekt behandelt, ist der Anfall innerhalb weniger Tage vollständig abgeklungen.

Vorbeugend sollte man wachsam sein, wenn der Harnsäurespiegel dauerhaft über 6 mg/dl liegt, sagen uns die heutigen Leitlinien. Zur Senkung werden idealerweise diätetische und medikamentöse Maßnahmen kombiniert. Auf diese Weise muss die Lebensqualität nicht gar zu sehr leiden.

Also bitte nicht tagtäglich Fleisch oder Wurst auf den Tisch stellen! Besonders Innereien gelten als problematisch, ebenso wie Bier und andere alkoholische Getränke. Mitentscheidend sind die Einseitigkeit und die anhaltende übermäßige Zufuhr purinreicher Lebensmittel. Achtung: auch Soja hat es richtig in sich, und zu häufige Fischmahlzeiten (Kieler Sprotten lassen grüßen!) gelten als sehr problematisch. Im Zweifel sollte man sich also über den Puringehalt der Lebensmittel informieren.

Doch die Ernährungskorrektur allein kann nur einen Teil der Behandlung leisten, die medikamentöse Harnsäuresenkung ist meist unverzichtbar. Goldstandard war hier für Jahrzehnte der Wirkstoff Allopurinol (Original: Zyloric). Als überlegenes Präparat präsentiert sich seit nunmehr einigen Jahren der Wirkstoff Febuxostat, welcher als Adenuric im Handel ist und sich durch eine deutlich verbesserte Wirkung bei viel günstigerem Nebenwirkungsprofil vom o.a. Allopurinol abhebt.

FAZIT

Aufmerksamkeit lohnt sich, auch wenn man (noch) keine Beschwerden hat. Man kann mit Verwandten ein wenig „über Krankheiten“ sprechen, um eventuelle Hinweise auf das eigene Gichtrisiko in Erfahrung zu bringen. Übrigens: Übergewichtige haben eine deutlich größere Chance, gichtkrank zu werden... also runter mit den Pfunden. Aber bitte keine Fastenkur, denn eine solche Radikalprozedur könnte sogar eine Gichtattacke auslösen! Es ist eben nicht alles so einfach. Also: Essen und Trinken mit Augenmaß ist ein guter Ansatz. Nicht zuletzt noch ein Tipp: auch manche Medikamente (z.B. Blutdrucksenker) können den Harnsäurespiegel erhöhen.

Am Schluß noch der Hinweis, dass dieser Artikel nur ein kleiner Streifzug durch dieses riesige Thema ist. Eine wirklich umfassende Darstellung ist aus Platzgründen nicht möglich. Hat Sie dieser Artikel neugierig gemacht? Dann hat er seinen Zweck erfüllt. Informieren Sie sich!

Kontakt

Dr. med. Klaus Moser
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