Ausgabe Nr.
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J M upload 03.07.2021, Viva Edition 177 | Print article

Grüezi im Schwiizerstübli bei Sandra und Nicole

Die Schweizer zählten zu den Pionieren, die den Archipel für sich entdeckten. Es wundert uns daher nicht, dass sie bereits am 21. November 1974 einen eingetragenen Club gründeten.1) Der Anspruch war, sich bei geschäftlichen Angelegenheiten sowie bei Fragestellungen des Alltags gegenseitig zu unterstützen. Sie sind eine eingeschworene Einheit, die von Jahr zu Jahr wächst und sich regelmäßig trifft, um auch Spaß zu haben, zu jazzen, zu wandern oder um Ausflüge zu unternehmen. 

Einer ihrer fixen Anlaufpunkte ist seit vielen Jahren Sandra Marty, die mit ihrer gut bürgerlichen schweizerischen Küche im La Gaviota ein wenig Heimat in die Fremde brachte. Ihre hohe Qualität und Authentizität der Gerichte beschwerte der sympathischen Köchin schon bald eine eingeschworene Gemeinde und lockte auch andere Nationen an. Vor etwa zwei Jahren eröffnete sie ein neues Bistro mit dem klingenden Namen Schwiizerstübli, das mit bewährten Rezepten weiter auf Erfolgskurs ‚segelt‘. Zunächst wanderte sie jedoch in ein kleines Dorf an der Westküste Frankreichs aus, das sie nach zwei Jahren für Madrid verließ. Vor acht Jahren fand sie ihr Glück schließlich in  ihrer Herzensdestination Gran Canaria. Die ersten sechs Jahre im La Gaviota und seit zwei Jahren im Schwiizerstübli.

Alljährlich findet am 1. August anlässlich des Nationalfeiertags ein großes Schweizertreffen statt, das sogar die BürgerInnen von den Nachbarinseln anlockt. Wir waren voriges Jahr dabei und freuen uns auch in diesem Jahr die schweizer Gemütlichkeit erleben zu dürfen.

Das Schwiizerstübli

Inmitten von Playa del Inglés, nahe der Minitren-Haltestation, befindet sich die Anlage C. C. El Veril und genau hier das Schwiizerstübli. Es ist durch das leuchtende Rot der Nationalfarben der überdimensionalen Flaggen mit dem weißen Kreuz und die riesigen Plakate mit einer Berglandschaft einfach nicht zu übersehen. Nicole, die Tochter des Hauses, empfängt uns und kümmert sich um den Service mit Herzlichkeit und Individualität. Sie kennt ihre Gäste und lässt ein Gefühl aufkommen, als ob man zur Familie gehört - selbst als ‚Neuling‘. Wenig überrascht entdecke ich also nicht nur Schweizer sondern auch andere Nationalitäten.

Wo Qualität und Preis überzeugt

Mutter und Tochter sind ein eingespieltes Dream-Team, was heutzutage leider nicht mehr allzuoft anzutreffen ist. Das Schöne ist, dass man im Schwiizerstübli zu jeder Tageszeit hervorragend speisen kann, ohne aufwändig oder mit langer Vorlaufzeit planen zu müssen, also ungeachtet dessen, ob  dies mittags, nachmittags oder nachts ist. Würde die Qualität und das Preis/Leistungsverhältnis nicht stimmen, dann würden die anspruchsvollen Schweizer nicht seit Jahren regelmäßig ihren Weg ins Schwiizerstübli finden bzw. eigens aus anderen Gemeinden der Insel anreisen. Ich erkundete es drei Mal hintereinander, die ersten beiden Male incognito.

Sandra freut sich über meine Begeisterung und lotst mich gleich in die richtige Richtung: „Einen Teil haben wir fest auf der Karte. Das sind jene Speisen, deren Zubereitung ich jederzeit garantieren kann. Spezialitäten, wie beispielsweise eine Kalbsbratwurst (mir läuft das Wasser im Mund zusammen), kann ich nur dann offerieren, wenn ich sie auch bekommen kann. Im letzten Jahr war es sehr schwierig und so biete ich tages- bzw. wochenweise Tagesgerichte außerhalb der Menükarte an, je nachdem, was für Köstlichkeiten ich organisieren konnte.“

TV freie Zone

In Zeiten von UEFA EURO fällt mir auf, dass es im Schwiizerstübli gar keinen Fernsehapparat gibt und Sandra erläutert schmunzelnd: „Zu uns kommen viele Gäste, weil wir eben keinen TV haben, um in Ruhe ihr Essen genießen zu können. Wer Fußball schauen möchte, sollte sich an eines der vielen entsprechenden Lokale wenden. Die neue Lage hat sich bewährt und, wenn nicht gerade Covid-19 eine Ausgangssperre nach sich zieht, finden von den angrenzenden Anlagen auch immer wieder mal Touristen verschiedener Nationalitäten ihren Weg ins Schwiizerstübli. Aber größtenteils leben wir von unserer Stammklientel, die etwa 75 % unserer Kunden ausmacht. Im Laufe der Zeit ist diese auf etwa 800 angewachsen. Sie sind zwar nicht alle das ganze Jahr über gleichzeitig da, sondern kommen je nach persönlichen Reiseplanungen und dadurch haben wir ständig etwas zu tun. Und ich informiere sie über die sozialen Medien, wie WhatsApp und Facebook, über Tagesgerichte oder Spezialitäten. Was ich mir gönne sind meine freien Tage und dann esse ich außerhalb, um neue Eindrücke zu sammeln und vor allem auch, um mich blicken zu lassen. Es ist wichtig präsent zu sein, insbesondere, da hier eine sehr hohe Gastronomiedichte vorherrscht. Manche freuen sich mich nach langer Zeit wieder zu sehen und machen gleich einen Termin aus. Das ist anstrengend, aber gut für das Geschäft.

Überraschung: Gruß aus der Küche

Die erste Überraschung war der Gruß aus der Küche, eine Steinpilzsuppe im Glas - die Beste meines Lebens! Und das - bei aller Bescheidenheit - kann durchaus als Ritterschlag gewertet werden. Bei meinem nächsten Besuch war es eine kalte Gurkensuppe und danach eine Thai-Curry-Suppe mit Schweizer Kräutern (siehe Foto). Schon mit diesem kulinarischen ‚Aperitif‘ wird evident, dass Sandra nicht nur das Kochhandwerk beherrscht und von der Pike auf gelernt hat, sondern auch über einen feinen Gaumen und die entsprechende Kreativität verfügt, diese in perfekter Harmonie glänzen zu lassen. Jedes Gericht ist mit Herz und Hirn kreiert und sie versucht dabei auch immer einen Bezug zur Heimat herzustellen.

Ein kleiner kulinarischer Einblick in die Menükarte

Ich stelle hier aus Platzgründen nur einige wenige Gerichte vor, die ich allesamt persönlich verkostet habe und die mich begeistert haben.

• Fleischsalat, wie es nur die Schweizer und Österreicher können. Denn die Vinaigrette ist nur ein Puzzle des Erfolgsgeheimnisses. Die anderen wesentlichen Komponenten sind die Grundzutaten. Und ein original Cervalat ist geschmacklich nicht zu kopieren und man schmeckt eben heraus, ob dieser von erster Qualität ist.

• Wurst/Käsesalat (8,90 Euro), traumhaft; mit Rösti oder knusprigen Pommes Frittes als Beilage für 10,90 Euro. (Foto 04)

• La Gaviota Salat: Dieser wurde schon in ihrem ersten Lokal Kult und verdient es seinen Namen behalten zu dürfen. Die Mischung aus der Süße der Datteln, der Frische des Salates, den Croutons und dem leicht salzigen Räucherspeck - einzigartig. (Foto 02) 9,90 Euro; eine kleine Portion 5,90 Euro.

• Tagessuppe für 4,90 Euro wird durch die raffinierten Gewürze garantiert jeden Gaumen verzaubern.

• Rösti (Foto 05) sind die Protagonisten der Schweizer Gerichte und passen hervorragend zu jedem Gericht und sind auch als Hauptgericht eine feine Speise, mit oder ohne Speck, Zwiebeln und Spiegelei. Die Kombinationen sind vielfältig. Sie schlagen sich mit 9,90 Euro zu Buche.

• Züricher Geschnetzeltes (Foto 03) ist ein Muss, das mit perfekt abgeschmeckten Gewürzen und dem zarten Kalbsfleisch zu Tränen rührt. Es wird an frischer Champignonsause serviert und kostet 18,90 Euro vom Kalb bzw. 13,90 vom Huhn.

• Käsespätzle (Foto 06) wie sie sein sollten und wie man sie auf authentisch zubereitete Weise einmal probieren sollte. Köstlich. 9,90 Euro.

• Vanilleeis mit Kürbiskernöl ist das Dessert des Hauses und eine gustatorisch perfekte Kombination

Und dann gibt es Tageshighlights, wie z. B. Rotkraut, Kalbswürstchen etc.

Mit Hirn, Herz und Können

Sandra ist eine resolute Kämpferin, die mit ihrem Einfallsreichtum und dem Herz am rechten Fleck die richtigen Entscheidungen findet. Sie erinnert sich an den Lockdown wegen der Coronavirus Pandemie im März vor einem Jahr und sinniert: „Das kam über Nacht und wir haben das gar nicht richtig mitbekommen. Plötzlich war die Polizei da und hat alle Lokale, Restaurants, Bars rigoros zur Schliessung aufgefordert. Wir konnten nicht einmal die Lebensmittel retten und mussten so, wie wir waren, plötzlich gehen. Am nächsten Tag kam ich, um zumindest alles abzusperren und sicherzustellen, dass alles sicher war.

Dann sind mir die Obdachlosen aufgefallen und sie haben mir leid getan. Die Nahrungsmittel wären ohnehin verloren und so dachte ich, dass es besser wäre, sie ihnen zu geben. Ich habe ihnen auch Wasser zur Verfügung gestellt und ansonsten alles verschlossen. Sie waren so dankbar, dass sie von sich aus auf der Terrasse quasi temporär gewohnt haben und mein Lokal mit Argusaugen bewacht haben. Es war ihre Art ihrer Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen.“

Immerhin hat das Schwiizerstübli die Covid-19 Krise gut überstanden und Mutter und Tochter sehen voller Zuversicht in eine gute Zukunft. Im August werden sie, wie jedes Jahr, einen Monat lang schließen und wappnen sich für eine neue Wintersaison. Natürlich wird der letzte Event vor dem Sommerurlaub die Feier des Schweizer Nationalfeiertags am 1. August 2021 sein. Wer kommen möchte ist herzlich willkommen, aber an diesem Tag ist eine Reservierung erforderlich.

Fazit: Hier bewirten Sandra und Nicole in familiärer Atmosphäre und zeigen auf, wieso die Schweizer in der Welt so einen guten Ruf genießen. Die Portionen sind großzügig und das Preis/Leistungsverhältnis ist unschlagbar. Muss man auf Gran Canaria zumindest einmal probiert haben!

Kontakt

Schwiizerstübli - Casita Suiza
C. C. El Veril, Avda. de Italia (bei der Minitren-Station)
35100 Playa del Inglés, Gran Canaria
Tel.: +34 633 762 539
Email: sandramarty@hotmail.com
Geöffnet: Mi. bis Sa. von 13.00 bis 22.00 Uhr (Achtung: Sommeröffnungszeiten 2021, ändert sich im Winter)

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1)Viva Canarias Nr. 157 vom 29.10.2019 - „Jubiläum: 45 Jahre Schweizer Club Gran Canaria, Porträt mit Präsidentin Erika Schweizer“ Jubiläum: 45 Jahre Schweizer Club Gran Canaria, Portrait mit Präsidentin Erika Schweizer