Ausgabe Nr.
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J M upload 06.05.2018, Viva Edition 18 | Print article

Prämiert: Holzdrechsler Ricardo Rodríguez Morales

Auf der Kunsthandwerksmesse am Faro in Maspalomas entdeckten wir die wunderschönen Holzarbeiten von Ricardo Rodríguez Morales. Wir besuchten den „Tornero Artesano“, so nennt man sein Holzdrechsel-Kunsthandwerk, in einem Vorort von Telde, wo er lebt und arbeitet.  chon in der Einfahrt seines Hauses lassen verschiedene Holzstücke keinen Zweifel aufkommen, dass Ricardo wohl hier lebt. Wer auf den Kanaren wohnt, der weiß, dass man oftmals vergebens auf der Suche nach Straßenbeschilderungen oder Hausnummern ist. Mit großer Herzlichkeit empfangen uns der Kunsthandwerker und  seine Frau. Und auch seine kleine quirlige Enkelin Aisha ist heute da, wenn Mama in der Nachtschicht arbeiten muss, dann passen nämlich Oma und Opa auf. 

Der 53-jährige wurde in Madrid geboren, doch schon im frühen Kindesalter siedelten seine Eltern nach Teneriffa, wo er den Großteil seines Lebens verbrachte. Schließlich landete Ricardo hier, auf Gran Canaria, und gründete seine eigene Familie. Seinen Lebensunterhalt bestreitet Ricardo als Volksschullehrer.

Vom Hobby zur grossen Leidenschaft

Die Arbeit mit dem Werkstoff Holz übte Ricardo anfänglich als Hobby aus und das mit einer ungewöhnlichen Leichtigkeit. Er selbst beschrieb es so „Die Dinge flogen aus meiner Hand“. Laufend vertiefte er sein Wissen bis er schließlich mit 28 Jahren die staatliche Prüfung als „Carpintero“ ablegte. Eiserne Disziplin, Neugier, Ausdauer und jede Menge Experimentierfreudigkeit machten aus ihm innerhalb von wenigen Jahren einen angesehenen und preisgekrönten Holzkünstler, der weit über die Inselgrenzen hinweg bekannt ist. 

Sein von kanarischen Ureinwohnern inspirierter „Holzkrug“ wurde mit dem ersten Preis der Inselregierung als bestes kanarisches Kunsthandwerksstück ausgezeichnet (siehe Foto unten). Aus bis zu fünfhundert einzelnen kleinen Holzstückchen bestehen seine  Kunstwerke. 

Auch in seinem Haus gibt es praktisch kein Möbelstück, das nicht von Ricardo kreiert wurde. Tische, Türen, Stühle sind ebenso selbst gemacht wie die Küche samt Dunstabzug, Seifenspender, CD-Hüllen, Eierbecher, Schüsseln oder Vasen.

Wie kam ricardo zum Holzdrechseln?

„Holz ist auf Gran Canaria ein sehr wertvolles Gut. Große Baumstämme sind praktisch nicht zu haben und so musste ich mir diese von Nachbarinseln oder vom Festland besorgen“, erläutert der Artesano. Anders als bei der Holzschnitzerei benötigt Ricardo nicht ein einzelnes (großes) Holzstück, aus dem er sein Objekt herausarbeitet. Er hat inzwischen seine eigene Technik zur Perfektion erarbeitet.

Seine eigene Technik: Ökonomisch und mit viel Liebe fürs Detail

Ricardo begann kleine Stücke von verschiedenen Holzarten bzw. mit verschiedenen Farbnuancen zu mischen. Dabei verklebt er diese zu einem großen „Rohobjekt“. Die verschiedenen Farben dieses Naturstoffs sind ein wesentlicher Aspekt für die endgültige Optik des Werkstücks. 

Seine Frau ist ihm dabei eine große Hilfe. Mit einem unglaublichen Feingefühl für harmonisierende Farben wählt sie ihm die entsprechenden Holzstücke aus. Ricardo verleimt diese dann und lässt den „Rohling“ trocknen. 

Der letzte Schritt ist das Drechseln. Das Werkstück wird in einen sogenannten Drehautomaten gespannt und dreht sich horizontal um seine eigene Achse. Währenddessen setzt man ein Dreheisen an das Holzstück an und schneidet so das Objekt  Schicht für Schicht in die gewünschte Form (siehe Foto links unten). Diese Art der Verarbeitung wird häufig zur Herstellung von Treppen-Stäben, Säulen, Büchsen, Schüsseln oder Türknäufen verwendet u.v.m. Vom Rohling bis zum fertigen Objekt dauert es viele Tage ja sogar Wochen.

FÜR Ricardos Objekte musste kein Baum sterben

Ricardo betont mehrmals, dass seine Holzverarbeitung eine sehr ökonomische ist, da praktisch kein Abfall produziert wird. Er verwendet ausschließlich totes Holz. Das bedeutet, dass für seine Objekte kein lebender bzw. gesunder Baum gefällt wurde.

Eigentlich ist die Natur der echte Künstler. Ricardo gibt ihr „nur“ eine Form, um sie in ein entsprechendes Licht zu setzen. Die Maserung und die Farbe des Holzes sind naturbelassen und es ist unglaublich wie außergewöhnlich schön diese sein können. Rosa glitzernd bis Pelmut, alles ist dabei. Er versiegelt seine Stücke lediglich mit einer dünnen Schutzschicht (Woraus diese besteht, bleibt sein Geheimnis). Voraussetzung für ein schönes Endprodukt, dass die natürliche und individuelle Schönheit des verwendeten Holzes richtig in Szene setzt, ist das Grundmaterial. Es darf weder faul sein noch Sprünge haben.  immer filigraner

Weg von überdimensionalen Krügen und Schüsseln werden Ricardos Arbeiten immer filigraner. 

Etwa vor drei Jahren begann er edle Schreibwaren herzustellen und avancierte mit seiner Technik zu einem der angesehendsten Artesanos auf der Insel in diesem Bereich. Füller, Federn oder Multifunktionsgeräte (Bleistift/Kugelschreiber) zählen ebenso zu seinem Repertoire wie Flaschenöffner oder Flaschenverschlüsse. Die Preise sind mehr als fair, von 30 Euro (Kaffeestift) bis hin zu 200 Euro für die edle Feder mit Goldspitze bzw. Platineinfassung etc. 

Individuell und nobel sind auch seine Rasierer, passend für Gilette Mach 3, wie wir erfahren. Wer auf der Suche nach einem wirklich individuellen Geschenk ist, kann hier aus dem Vollen schöpfen.

Edle und seltene Hölzer aus aller Welt

Das Geheimnis liegt im Grundmaterial. Inzwischen ist Ricardo auch ein leidenschaftlicher Sammler von ausgefallenen und teilweise sehr teuren Hölzern, die sich, fein säuberlich sortiert und gestapelt, in seinem Atelier im Keller des Hauses befinden. Es vermischen sich die Gerüche der verschiedenen Holzarten. Wir „testeten“ einige durch und tatsächlich riecht das Olivenholz nach seiner Frucht, ein anderes nach einem „Wellnesstempel“ u.v.m. 

Ein echter "Artesano" feilscht nicht um den Preis

Oft beobachten die Kunsthandwerker, nicht nur Ricardo, mit welcher Ungläubigkeit die Messebesucher und Touristen die Objekte begutachten. Es ist schon vorgekommen, dass ein Tourist eine von ihm gemachte Schüssel (an der er zwei Wochen hart gearbeitet hat) in die Hand nimmt und beginnt gegen die Tischkante zu klopfen, um... (wir wissen es nicht). Vielleicht um den Klang zu prüfen? Zu kontrollieren wie robust das Objekt ist? 

Wir möchten uns das lieber nicht vorstellen und apellieren, dass Sie - egal ob sie etwas kaufen oder nicht - den Handwerken den Respekt für ihre Arbeiten zollen, den auch Sie sich wünschen. Entgegen Behauptungen einiger Reiseführer würde ein echter Artesano um einen Preis niemals feilschen. Das empfinden die Kunsthandwerker eher als Beleidigung für ihre Mühen und Arbeit.

Nach der Demonstration seiner Drechselkunst, dem Exkurs in die Welt des Holzes und dem sehr interessanten Gespräch wurden wir mit echter kanarischer Gastlichkeit beehrt. Ein, nein zwei, köstliche Kaffees und dann noch ein Schlückchen vom selbst gemachten Ananaslikör sorgten für einen krönenden Abschluss unseres Besuchs.

Wo kann man Ricardos Kunstwerke kaufen? 

Er ist regelmäßig auf den Messen der kanarischen Kunsthandwerkervereini-gung Fedac zu Gast. Wer direkt Kontakt aufnehmen will (er spricht auch englisch), für den haben wir die Kontaktdaten zusammengetragen. 

 

Kontakt:

Ricardo Rodríguez Morales

Tornero Artesano 

Adresse: Telde, Gran Canaria

Tel.: 928 683 523

E-Mail: ricardo@tornocanario.com

www.tornocanario.com