Ausgabe Nr.
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J M upload 20.07.2012, Viva Edition 14 | Print article

Rum - geistiges Getränk verbindet Kanaren und Karibik

Viele Pflanzen die wir heute in Europa – und auf den Kanaren – verwenden und verzehren stammen aus Amerika. Tomaten, Kartoffeln und Mais sind die bekanntesten, aber auch Erdnüsse, Kakao und Tabak kommen aus der neuen Welt. Zuckerrohr dagegen, seit Jahrhunderten das wichtigste landwirtschaftliche Produkt der Karibik, stammt ursprünglich aus Asien und kam erst mit der spanischen Eroberung nach Südamerika. Auf den Kanaren gedieh Zuckerrohr schon vor Kolumbus. Er war es, der einige Sprösslinge davon auf seiner zweiten Atlantiküberquerung mitnahm. Im Klima der Karibik gediehen die Pflanzen prächtig, fast so wie auf den Kanaren. Allerdings stand in Übersee wesentlich mehr Platz zur Verfügung, um ausgedehnte Plantagen gewinnbringend mit diesem Rohstoff für die Zuckerproduktion zu bepflanzen. Schon bevor daraus Schnapps gebrannt wurde, war der Anbau sehr lukrativ, denn in Europa war die Zuckerrübe noch unbekannt.

Wie durch einen Zufall aus Zucker Rum wurde

Doch bald darauf entdeckte der Legende nach ein Sklave auf Kuba die Wirkung des fermentierten Zuckerrohrsaftes, als er seinen Durst aus einem Fass mit Melasse löschen wollte. Die Flüssigkeit war lang genug in dem Behälter gewesen um zu gären und so die stimulierende Wirkung erlangte, die dem Rum heute noch eigen ist. Von dieser ersten, zufälligen Begegnung mit dem Geist aus dem Zuckerrohr bis zum edlen Getränk, das wir heute kennen, war es allerdings noch ein weiter Weg.

Piraten sorgten für die Verbreitung

Piraten sorgten im 16. und 17. Jahrhundert für die Verbreitung der neuen Spirituose. Jedoch schmeckte sie damals streng und konnte unvorhergesehene Reaktionen bei den Konsumenten hervorrufen. Im Jahr 1650 wird erstmals das Wort „Rum“ in einem Dokument der britischen Kolonie Barbados erwähnt. Die Briten begründeten fünf Jahre später seinen Ruf als des Matrosen liebstes Getränk als Admiral Penn verordnete, dass jeder britische Seemann täglich seine Rum-Ration zu bekommen habe. Ein Brauch, an dem übrigens bis 1970 in der königlichen Marine festgehalten wurde.

In den folgenden Jahrhunderten wurde Rum zu einem der wichtigsten Handelsgüter. Von Haiti bis New England, von Kuba über die Dominikanische Republik bis Puerto Rico entstanden tausende Fabriken, die das begehrte Getränk nach verschiedenen Rezepturen - mal strenger, mal milder - erzeugten und verkauften.

Stillstand auf den Kanaren

Auf den Kanaren dagegen kam der Anbau von Zuckerrohr gegen Ende des 16. Jahrhunderts zum Erliegen. Um 1800 wurde es wieder angebaut, jedoch fast ausschließlich als Rohstoff für die Schnapsproduktion.

Die Rum-Erzeugung auf den Kanaren erreichte erst im 20. Jahrhundert den Status als ernstzunehmender Wirtschaftszweig. Mengenmäßig konnten die Kanarischen Inseln mit der Konkurrenz aus Übersee nicht mithalten, aber die Qualität des kanarischen Rums überflügelte schon bald die der Massenware aus Amerika.

Vorreiterrolle: La Aldea de San Nicolás

Eine besondere Rolle für den guten Ruf, den der kanarische Rum genießt, spielte der kleine Ort La Aldea de San Nicolás an der Westküste von Gran Canaria. Dort gründete Manuel Quevedo im Jahr 1936 die Rumfabrik „Ron de la Aldea“. Der vielseitige Unternehmer brachte schon einige Erfahrung im Rum-Geschäft mit, die er auf Madeira, der damaligen Hochburg der Zuckerrohrschnapsproduktion, gesammelt hatte.

Rum vom 28. Breitengrad

Quevedo stellte seine Brennerei genau auf den 28. Breitengrad, in die Nähe des kleinen Hafens, dessen Schiffe zu dieser Zeit für die einzige Verkehrsverbindung sorgten. Das fruchtbare Tal bot ideale Bedingungen für den Zuckerrohranbau und das gute Händchen des Unternehmers bei der Destillation tat das Übrige. Quevedo spezialisierte sich auf die Erzeugung von Rum aus fermentiertem Zuckerrohrsaft, im Gegensatz zu den größeren Brennereien, die ihren Schnaps aus Melasse, den Resten aus der Zuckerproduktion, gewannen. Die von Quevedo bevorzugte Methode ist zwar aufwendiger und weniger ertragreich, das Endprodukt ist jedoch schmackhafter und milder.

Zum Vergleich: Aus etwa 15 Kilogramm Zuckerrohr erzeugte die Rumfabrik in La Aldea einen Liter Schnaps, während anderswo nur ein Kilo Melasse pro Liter Rum benötigt wurde. „Ron de La Aldea“ sorgte nicht nur für den besten Rum seiner Zeit, Manuel Quevedo gab mit seiner Initiative dem ganzen Wirtschaftszweig einen Impuls. So nahmen auch andere Brennereien ihre Produktionen wieder auf. Gegen Ende der 1940er Jahre füllte die Fabrik in La Aldea jährlich mehr als 200.000 Liter ab, dann ging die Produktion aber rapide zurück. Für die lokalen Bauern war der Anbau von Tomaten wieder lohnender geworden, so dass die Zuckerrohrproduktion zurückging und die Brennerei im Jahr 1954 gerade noch 3.640 Liter Rum erzeugen konnte. Das war natürlich zu wenig um zu überleben, und so schloss die ehrwürdige Rumfabrik nach einigen letzten Bemühungen schließlich 1959 ihre Pforten.

Das Fabrikgebäude steht nach wie vor auf dem 28. Breitengrad und dient vornehmlich als Kulisse für die Fiesta del Charco, die ganz in der Nähe davon jeden September tausende Menschen anlockt. Wie in solchen Fällen üblich, gibt es regelmäßig neue Vorschläge zur Verwendung der alten Fabrik, ein Bezirksmuseum war zum Beispiel angedacht und zuletzt konnte man aus dem Rathaus von La Aldea Pläne vernehmen, die von einer Neueröffnung der Rumfabrik träumen.

Mit der Schließung der Fabrik an der Küste von Gran Canaria war die Geschichte des Rums von La Aldea aber nicht zu Ende. Im Jahr 1969, ein Jahr nach dem Tod des Firmengründers, beschlossen zwei seiner Söhne die Produktion auf der Insel La Palma wieder aufzunehmen. Sie verwendeten beim Destillieren die gleichen Methoden, die den Rum ihres Vaters so beliebt gemacht hatten und konnten mit diesem Qualitätsanspruch bald ihren Anteil am Markt erobern und sich bis heute auf dem kanarischen Markt behaupten.

Hoflieferant aus Arucas

Heute ist die im Jahr 1884 gegründete Destilería Arehucas S.A. nicht nur nach wie vor Hoflieferant des spanischen Königshauses, sondern auch Marktführer auf den Kanaren. Inzwischen wird der Rum sogar erfolgreich in den USA vertrieben und wer will, kann die Fabrik und das darin befindliche Museum sogar besichtigen, wie schon in unserer ersten Ausgabe ausführlich berichtet. Gemeinsam mit Artemi, dem zweitgrößten Produzenten der Kanaren, hat die Firmengruppe einen Marktanteil von 65 Prozent. Zur Firmengruppe der Destilería Arehucas S.A. zählt inzwischen das einstmalige Konkurrenzunternehmen Ron Telde, ebenso wie COCAL (Compañía Canaria de Licores), selbst wenn die Etiketten auf den Flaschen noch anderes aufzeigen.

Rum aus gegorenem Saft des Zuckerrohrs auf La Palma

Die einzige Brennerei der Kanaren – und ganz Spaniens – die den Rum nach traditioneller Art direkt aus dem gegorenen Saft des Zuckerrohrs herstellt, ist Ron Aldea auf La Palma. Der „Ron Artesano“, wie der aus „Guarapo“, dem frisch gepressten Zuckerrohrsaft erzeugte Rum genannt wird, ist der beste Grundstoff für die unzähligen Cocktails und Longdrinks, die auf der Karte jeder Bar ganz oben zu finden sind.

Der verbreitetste davon ist wohl „Cuba Libre“, die Mischung aus Rum und Coca Cola. Die Legende zur Entstehung geht auf den Unabhängigkeitskrieg der Kubaner im Jahr 1898 zurück. Angeblich hätte damals ein US-Captain, der an der Seite der Kubaner gegen die spanische Kolonialherrschaft kämpfte, in der „Bar Americano“ von La Habana einen Rum mit Coca Cola, viel Eis und einer Zitronenscheibe bestellt. Die Mischung schmeckte ihm so gut, dass er das Glas hob und den umstehenden Soldaten mit dem Ruf „Por Cuba Libre“ (Für das freie Kuba) zuprostete. Der „Mojito“ aus Rum, Zucker, Limette und Minze wurde angeblich von Sir Francis Drake erfunden, und der nicht minder berühmte „Daiquiri“ stammt zwar nicht aus der Feder von Ernest Hemingway, war aber sein Lieblingsgetränk, dem er nächtelang in der Bar Floridita zusprach.

Ronmiel – eine süße Versuchung

Die kanarische Rum-Geschichte ist undenkbar, ohne die Kombination des edlen Brandes mit dem ebenso feinen Bienenhonig. Der „Ronmiel“, der Honigrum ist der Kanaren liebstes Derivat aus dem Destillat. Dafür haben die Inseln sogar einen Artenschutz, der verhindern soll, dass die spezielle Mischung der Kanaren anderswo nachgemacht wird. In alten Zeiten wurde der Ron Miel in den Häusern oder auch in ländlichen Kneipen der Canarios zusammengemischt. Doch bald erkannten die Rum-Produzenten das geschäftliche Potenzial der wohlschmeckenden Mixtur, die leichter zu schlucken ist als der unverdünnte Rum. Solange der Honigrum in privaten Küchen hergestellt wurde, brauchte man keine Vorschriften, es genügte das überlieferte Rezept der Großmutter. In etikettierten Flaschen muss allerdings ein wenig auf die Zusammensetzung und Qualität des Inhalts geachtet werden.

Nach dem Kanarischen Reinheitsgebot darf also ein „Ronmiel de Canarias“ nur Rum, Branntwein aus Zuckermelasse, Wasser, Zucker, pflanzliche Extrakte und mindestens 2 % Bienenhonig enthalten. Man darf davon ausgehen, dass sich kanarische Abfüller mehr oder weniger freiwillig an diese Vorgaben halten, allerdings sollte beim Kauf von Honigrum auf das Etikett geschaut werden. Es gibt in den Regalen nämlich auch Ronmiel, der nicht von den Kanaren stammt, der Inhalt dieser Flaschen ist daher auch nicht nach den kanarischen Vorgaben gemischt.

Auf dem Archipel werden jedes Jahr rund eineinhalb Millionen Liter Honigrum gebraut, fast alles wird auch hier unter das Volk gebracht, denn nicht einmal 50.000 Liter, etwas mehr als 3%, kommen in den Export. Wie viele Flaschen jedoch in den Koffern der Urlauber die Insel verlassen ist nicht bekannt, jedenfalls gehört der Ronmiel de Canarias zweifellos zu den beliebtesten Souvenirs und wohlschmeckendsten Mitbringsel.

GRAN CANARIA

Destilería Arehucas S.A., Rumfabrik (Fábrica del Ron) in der c/Era de San pedro 2. Museum in der Fabrik. Besichtigungen: Mo. bis Fr. von 9.00 - 14.00 Uhr (Juli - Aug. bis 13.00 Uhr). Tel.: 928 62 49 00. Eintritt: Frei.
www.arehucas.es

LA PALMA

Destilerias Aldea S.L., Cno. El Cardal 45 (San Andrés y Sauces) auf La Palma.
Besichtigung nach Vereinbarung: Telefon 922 450 444, E-Mail: ronaldea@destileriasaldea.es www.destileriasaldea.es