Ausgabe Nr.
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J M upload 03.07.2022, Viva Edition 189 | Print article

Sensationsfund auf Lanzarote - San Marcial del Rubicón

Das Bestreben der großen europäischen Königshäuser ihr Hoheitsgebiet mit neuen Territorien zu erweitern, machte auch vor den „Inseln des ewigen Frühlings“ nicht Halt. Auf Geheiß der kastilischen Krone begann die Eroberung der Kanarischen Inseln, ausgehend von Lanzarote im Jahr 1402. Jene AltkanarierInnen, die dabei nicht ihr Leben verloren haben, wurden unterworfen und dadurch ging viel Wissen über die pre-hispanische Kultur verloren. 

Seit etwa einer Dekade intensivieren sich die Bemühungen seitens der kanarischen Behörden ihre Kultur, ihr Kulturgut und ihre Wurzeln zu erforschen und immer wieder bringen archäologische Funde neue Aspekte über das Leben von anno dazumal. Dabei sticht besonders Gran Canaria hervor, wo inzwischen über 1.100 Fundstätten dokumentiert sind. Darunter befinden sich sensationelle Entdeckungen, wie beispielsweise die wichtigste Ansiedlung der Altkanarier bei La Fortaleza oder das im Jahr 2019 von der UNESCO zum Weltkulturerbe deklarierte Risco Caído.2) Wir haben Ihnen regelmäßig die bedeutendsten Zentren vorstellen dürfen.1)

Eroberung der Kanaren: Insel für Insel

Interessante Einblicke in die unmittelbare Zeit nach dem erstmaligen Kontakt zwischen der Urbevölkerung und den Spaniern könnte ein Sensationsfund aus dem Jahr 2019 auf Lanzarote bieten.  Es handelt sich die archäologische Fundstelle San Marcial del Rubicón im Gemeindegebiet Yaiza auf Lanzarote - die erste europäische Siedlung auf den Kanaren.

Ein 15-köpfiges Forschungsteam ist seitdem an den Ausgrabungen beteiligt, die von ArchäologInnen der Universitäten von Las Palmas de Gran Canaria sowie Teneriffa, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Yaiza und dem Kulturministerium, erfolgen.

Am Fundort in unmittelbarer Nähe der paradiesischen Papagayo-Strände wurden die Überreste der allerersten, auf den Kanaren errichteten Gebäudestrukturen freigelegt. Diese umfassen u. a. einen Turm, zwei Nekropole, eine Fabrik, mehrere Brunnen sowie eine Kirche. Zudem wurden etliche Keramiken und Gebrauchsgegenstände gefunden. Diese liefern nach deren Dokumentation, Analyse und Kontextzuordnung wertvolle Informationen hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung der geschichtlichen Ereignisse auf der Insel, wie beispielsweise der Stadtgründung im Jahr 1408.

Königreich Lanzarote?

Die Archäologiearbeiten erfolgen anhand neuester, nicht destruktiver Methoden an Land sowie im Wasser.

Die sogenannte ERT Methode (elektrische Tomographie) ermöglicht eine Untersuchung in einer Tiefe von bis zu sechs Metern und kann somit Reste der von den französisch-normannischen Eroberern Jean de Bethencourt sowie Gadifer de la Salle errichteten Gebäudestrukturen identifizieren. Aus den bisherigen, bestätigten Erkenntnissen scheinen diese mittels Tapial-Technik errichtet worden zu sein. Ergo: Feuchte, lehmhaltige Erde wurde in Holzschalungen geschüttet und mit Stampfern verdichtet. Diese Form wurde laut den Wissenschaftlern in einer Übergangsphase angewandt. 

Die gefundenen Keramiken und -fragmente stammen zu 95 % von den Altkanarieren, die zumindest in der Anfangsphase parallel neben den Kolonialisten lebten.

Sensationeller Münzfund

An dieser Ausgrabungsstelle wurde im September und Oktober 2021 zusätzlich ein beispielloser historischer Münzfund sichergestellt, zu dem die ältesten jemals auf dem Archipel gefundenen Münzen zählen. Acht dieser neun auf Lanzarote ausgegrabenen Münzen werden der Münzprägung von Heinrich II. oder Heinrich III. zugeschrieben, die als ‚königliches Geld’ (cornados) bekannt sind. Sie zeigen das gekrönte Profil des Königs mit Blick nach links. 

Einzigartig an diesen Archäologiefunden ist zudem, dass alle Münzen ein Gegenzeichen tragen und zwar ein „B“ in gotischen Buchstaben. Aus den Chroniken „Le Canarien“ geht hervor, dass das kastilische Königshaus dem Eroberer Jean de Bethencourt, der die Unterwerfung von Lanzarote im Jahr 1402 mit seiner Landung auf La Graciosa begann, die Befugnis zur Münzprägung erteilte. Dieses Vorrecht war normalerweise dem Königshaus vorbehalten und nun stellen sich die Forscher die Frage, ob es dem Eroberer Bethencourt und späterem Lehensherrn von Lanzarote vielleicht gelang, seinen Wunsch eines eigenen Königreichs zu verwirklichen? Aufgrund der geprägten Initiale seines Nachnamens auf den Münzen, stützt sich nun unter den Wissenschaftlern eine Theorie. 

Dieser Geldfund ist von historischer Bedeutung für die Numismatik Spaniens, falls sich die hier beschriebene Annahme bestätigen sollte.

Das archäologische Forschungsprojekt wurde um weitere zwei Jahre verlängert.

Zonen

Ein Teil des Areals kann bereits jetzt besichtigt werden. Es ist in folgende Sektoren untergliedert:

1: Vier Brunnen an der Mündung der Schlucht (Los pozos de San Marcial, de la Cruz, de la Pila und pozo de las Cabras), die jeweils über eine Kammer und Begrenzung verfügen, wo das Wasser geschöpft werden kann.

2: Der Wehrturm

3: Die Kirche

4: Fabriksgelände

5: Rechteckige Strukturen, die möglicherweise die Wohnräume der Normannen waren

6: Zone der Urbevölkerung

7: Nekropole

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Verweise (siehe www.viva-canarias.es)

1)Viva Canarias Nr. „Top 5 Archäologie-

ausflüge auf Gran Canaria“

2)Viva Canarias Nr. 154 vom 4.8.2019

„Risco Caído - UNESCO Weltkulturerbe“