Ausgabe Nr.
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J M upload 19.08.2018, Viva Edition 135 | Print article

Mental gefordert - Transgrancanaria HG Ultratrail

Ende Februar fand das größte Sportgroßereignis auf Gran Canaria statt und in der diesjährigen 19. Ausgabe wurden beim Trail „Transgrancanaria HG“ wieder Rekorde gebrochen. Bergläufe boomen … wieso eigentlich? Wie schon in unserer Ausgabe Nr. 133 vom 9. Februar erwähnt, haben sich fast 4.130 Extremsportler aus 72 Nationalitäten dazu angemeldet. Kein Wunder, dass dieser internationale Wettbewerb auch 120 Medienvertreter anlockte und zudem immer mehr sogenannte Influencer (Meinungsgeber) in Sozialen Netzwerken auf den Plan ruft, wie z. B. Jorge Cremades, Fran Guzmán oder Sergio Turull, die allesamt ebenfalls teilnahmen.

Dieser Berglauf verlangt den Läufern alles ab. Die anspruchsvolle Strecke erfordert aufgrund des stellenweise unwegsamen Geländes, der Steigungen, dem steinigen Boden, den niedrigen Temperaturen in den Bergen und der teils schlechten Sicht in den Nachtstunden von Anfang an höchste Konzentration. Und weil dies nicht genug ist, hat das Wetter diesem Run beinahe ein Schnippchen geschlagen. Aufgrund des starken Regens der letzten Tage musste die Kategorie in der Marathondistanz sogar um einen Tag verschoben werden, um ein Schönwetterfenster auszunutzen.

Was finden jedoch die Läufer so faszinierend an diesem Trail und wieso tut Mann oder Frau sich das an? Beinahe die Hälfte der Teilnehmer kommt aus dem Ausland. Ich traf mich zwei Tage vor dem Start mit drei hartgesottenen Jungs an der Aussichtsplattform bei den Dünen von Maspalomas. Es sind Tim Kazmeier (39 Jahre), ein Polizeibeamter aus Recklinghausen, Veit Hinerasky (37 Jahre, alias „Die Maschine“), der Dortmunder Ingenieur für Ladestationen und E-Fahrzeuge sowie Michael Blatt aus Bochum (38 Jahre), Redakteur einer Fachzeitschrift. Drei Männer mit unterschiedlichen Berufen. Zusammengeführt hat sie die Leidenschaft für den Sport und im Besonderen für das Laufen. Sie flogen aus Deutschland ein, um am Marathon teilzunehmen. Ihr Respekt vor einer längeren Distanzen war bei dieser ersten Teilnahme zu groß. Wer weiß was die Zukunft bringt?

Das Gefühl von Freiheit

„Im Ruhrgebiet gibt es eine große Community beim Citylauf und im Laufe der Zeit kennt man sich durch dieses gemeinsame Hobby und tauscht sich aus, wo man schon gelaufen ist“ erklärt mir Michael. Veit ergänzt: „Bei uns ist alles so dicht bebaut. Die Kohleberge sind unsere Alpen. Abseits der Straßen in der Stadt zu laufen boomt bei uns gerade enorm. Man möchte raus aus der Stadt und man ist auch auf der Suche nach Abenteuer.“ Michael setzt nach: „Ich verbinde das Laufen gerne mit dem Reisen. So kann ich neue Plätze kennenlernen und trotzdem dem Sport nachgehen.“

Nun bringt sich Tim wieder ein: „Fit zu sein ist wichtig in meinem Beruf, besonders im Bereitschaftsdienst bei der Polizei. Aber Laufen ist auch gut für den Stressabbau. Es gibt dir ein Gefühl von Freiheit und man fühlt sich stark.“ „Das Schöne bei diesem Sport ist, das man es jederzeit ohne großen Aufwand betreiben kann. Normalerweise sitze ich 20 Tage im Monat nur im Büro. So kommt man raus in die Natur und dabei ist man völlig flexibel. Man braucht keine teure Mitgliedschaft bezahlen oder komplizierte Termine einplanen. Du kannst alleine laufen oder dich mit Gleichgesinnten verabreden“, erklärt mit Michael.

Gefragt: Mentale stärke und richtiges Equipment

Die drei jungen Männer waren schon neugierig, was auf sie zukommen wird. Die bergige Landschaft von Gran Canaria übt einen ungeheuren Reiz aus und gleichzeitig sorgt sie für eine gewisse Portion Respekt, denn sie wissen nicht genau was auf sie zukommt. Es ist eine Herausforderung sich richtig vorzubereiten. Wichtig ist auf jeden Fall das richtige Equipment und die Bekleidung, wie sie mir unisono erläuterten.

Tim ergänzt den Reiz solcher Wettbewerbe für ihn: „Man ist zwar völlig auf sich fokussiert, pusht sich aber, wenn die Zuschauer einen anspornen. Ehrlich gesagt habe ich die Schönheit der Landschaft dieser Insel unterschätzt und das obwohl ich in den letzten Jahren immer wieder mal hergekommen bin. Nun wundere ich mich, was ich alles noch nicht entdeckt habe.“

Es geht also nicht darum, den Schmerz in den Muskeln zu spüren, der sich irgendwann unweigerlich breitmacht, sondern ihn zu besiegen. Die mentale Stärke zu besitzen die Tiefs zu überstehen und weiterzulaufen, sich wieder zu motivieren und seinen Körper zu beherrschen.

Gran Canaria hat alle Erwartungen übertroffen

Zwei Tage später sind alle drei Sportler unbeschadet angekommen. Nein, sie sind überglücklich durch die Ziellinie gelaufen und auch ein wenig stolz, dass sie es geschafft haben. Und trotz eines kurzen persönlichen Einbruchs kurz vor dem Ziel hat mir Tim noch diese abschließenden Worte durchgegeben: „Uns hat es allen sehr gefallen. Die Organisation war spitze und es war eine gute Entscheidung das Rennen um einen Tag zu verschieben. In den Bergen oben kann man, wenn es glitschig ist, einige Meter in die Tiefe stürzen (stark untertrieben formuliert). Auf jeden Fall war die Gegend traumhaft und zwischendurch dachte ich, dass ich am Grand Canyon sei. 

Die ganze Atmosphäre war super und es ist einfach toll, dass die Insel das zu bieten hat. Wir haben enorm viel Spaß gehabt und überlegen sogar, ob wir nächstes Jahr wieder teilnehmen.“ Am Tag zuvor war ich in El Garañon in den Bergen und es hatte fünf Grad Celsius. Damit sich die Jungs mental auf die bevorstehende Temperatur beim Start einstellen konnten, habe ich es fairerweise gleich kundgetan. Und auch, wenn sie diese Botschaft vielleicht nicht so gerne gehört haben, sie waren dankbar, denn es beantwortete ihnen die Frage nach der passenden Kleidung.

Dieser Trail ist unmenschlich, der Sieg, aber übermenschlich und wenn man sich die Läufer an der Ziellinie ansieht, dann merkt man, wie glücklich sie sind es geschafft zu haben. Für diese außergewöhnliche Leistung verdienen es die Sportler zumindest genannt zu werden (siehe Kasten unten).

Fazit

Die Worte der drei ‚Kerle‘ aus Deutschland klingen fast wie aus einer Werbebroschüre für dieses Sportspektakel, doch die Euphorie dieser Worte waren so entwaffnend ehrlich und herrlich ansteckend. 

In diesem Fall müssten die Jungs sich beeilen, denn im Vorjahr war die Teilnehmerliste schon nach wenigen Monaten ausgebucht und man konnte sich nur noch auf die Wartelisten setzen lassen und darauf hoffen, dass jemand nicht kommen kann. Auf jeden Fall läuft die Anmeldefrist für 2019 bereits: www.transgrancanaria.com   

01: Teilnehmer der Marathon-Distanz 2018, v. li. nach re.: Tim Tim Kazmeier (39 Jahre), Michael Blatt (38 Jahre) und Veit Hinerasky (37 Jahre) 
02: Start in der Kategorie „Starter“ über eine Distanz von 34 Kilometer in Tunte.