Ausgabe Nr.
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J M upload 31.07.2018, Viva Edition 140 | Print article

Charco Azul - Wasserfall an der blauen Lagune

Drei der sechs Routen des diesjährigen internationalen Wanderfestivals habe ich Ihnen bereits vorgestellt und dieses Mal wollte ich Sie in den Märchenwald von Doramas entführen, der mit seiner dichten Vegetation, den Farnen und Lorbeerbäumen wie ein Dschungel wirkt. Wir machten uns um 8.00 Uhr morgens auf den Weg, denn da ist das Licht zum Fotografieren am Schönsten. Selbst die ausgereifteste Wortakrobatik kann mit der atemberaubenden Schönheit der Natur nur schwer mithalten. Auf der Autobahn machte sich beim Anblick des immer tiefer hängenden dunklen Wolkenmeers allerdings Unbehagen breit. Wer hat schon Lust auf Ausflugstour zu gehen, wenn es regnet oder alles trist, grau und wenig einladend wirkt – speziell wenn man hierher auf Urlaub kommt. Leider begann es kurz hinter Las Palmas sogar zu nieseln und ich spielte bereits mit dem Gedanken die Entdeckungstour abzubrechen. Also beratschlagten wir uns, dieses Mal verstärkte meinen Fotografen Eric und mich unser lieber Freund Franjo. Dann sah ich am Horizont an der Westküste einen Hoffnungsschimmer in Form eines hauchdünnen blauen Streifens am Himmel aufkommen. Wir fuhren also die etwa dreißig Kilometer lange Strecke weiter entlang der Küste bis nach Agaete. Das war eine gute Entscheidung und wir entdeckten ein Juwel, das wir schon seit Jahren finden wollten. 

Plan B: Mehr als eine Alternative „Charco azul“

In Agaete strahlte der Himmel in leuchtendem Blau und nichts ließ erahnen, dass eine halbe Stunde zuvor noch Weltuntergangsstimmung vorherrschte. Von hier aus fuhren wir etwa 11,5 Kilometer auf Serpentinen südwärts in Richtung La Aldea de San Nicolás. Unser Ziel war das verschlafene etwa 300 Einwohner zählende Dorf El Risco. Ausflügler und Radfahrer kennen es höchstens, um eine Rast entlang ihrer Route einzulegen.

Dem Dorf mit seinem authentischen Charakter und den liebenswerten Bewohnern schenken lediglich individualreisende Gäste Beachtung. Es ist tatsächlich noch ein echter Geheimtipp, denn von hier aus führt ein etwa eineinhalb Kilometer langer Weg zum einzigen Wasserfall der Insel, dem Charco Azul. Er soll mit seinem smaragdgrünen Glanz magisch verzaubern und daher leitet sich der Name „Blauer Teich“ ab.

Barranco el Risco

Ab jetzt geht es zu Fuß weiter und wir gehen die schmale, aber stetig steigende ‚Hauptstraße‘ entlang. Enge Gassen ziehen kreuz und quer vorbei und in vielen Ecken versucht man, mit platzierten Blumentöpfen ein wenig Farbe und Frohsinn ins Spiel zu bringen. Begleitet werden wir nur vom Hundegebell der, mit argwöhnischen Augen kontrollierenden Vierbeiner. Nach etwa 300 Metern gabelt sich die Straße und wir bieten am Informationsschild rechts auf einen  Trampelpfad ab.

Durch die Schlucht

Nun geht es etwa 1,2 km entlang der Schlucht von El Risco. Eine herrliche Gegend voller Abgeschiedenheit und Ruhe. Unseren Augen schmeichelt ein Mosaik aus Farben, sei es an den Felswänden, dem Bachlauf oder den Wiesen an den Flanken. Aus der Ferne dringt noch hin und wieder ein Hundegebell an unsere Ohren, das sich mit dem Krähen der Hähne abwechselt. Das trockene Gras reicht fast bis zur Hüfte und an manchen Stellen muss man sich konzentrieren, um nicht vom Weg abzukommen. Wir haben naturgemäß  keine Machete dabei und so genießen dieses Abenteuer. Nun gesellen sich fröhlich singende Vögel und quakende Frösche dazu, als wir das heiß ersehnte Plätschern von Wasser vernehmen. Es ist ein dünnes Rinnsal, aber lebendig und dynamisch sucht sich das Wasser seinen Weg durch die Felsen und vervollständigt dabei akustisch unser Naturorchester. Dieses Tal ist wahrlich zauberhaft und wir folgen nun dem Wasser, das sukzessive stärker zu strömen scheint.

Frösche, Hühner, Vögel und plätscherndes Wasser

An einem Tümpel machen wir Rast und beobachten die fröhlich spielenden Frösche. An manchen Stellen ist Geschick gefordert, um über die Felsen zu klettern oder die Steigung zu bewältigen. Und dann tut sich vor uns eine etwa drei Meter hohe Felswand auf, von der das Wasser in einen Tümpel herunterfließt. Franjo zieht gar seine Schuhe aus und plantscht mit meinem Hündchen Juan wie ein kleiner Junge. Und auch ich fühle mich in die Zeit meiner Kindheit zurück versetzt. Das Wasser ist frisch und angenehm, wobei ich es, ehrlich gesagt nicht getrunken habe.

Während Eric versucht, die Eindrücke einzufangen, genieße ich einfach diese herrliche Luft und die Atmosphäre. Franjo will nicht so recht glauben, dass es nicht weitergeht und bietet sich an als „Späher“ dem Bachlauf entlang der Felsen zu folgen. Nach etwa 15 Minuten kommt er aufgeregt zurück und fordert uns auf mit ihm zu kommen, denn dort sei es noch viel schöner.

Am Ziel: Wasserfall

Wir meisterten also noch die restlichen 200 Meter und tatsächlich, da war der Wasserfall. Er rauschte aus einer Höhe von ca. 8 Metern eine Felsspalte hinunter und landete in einem Felsbecken. Es ist tief und man kann bequem darin schwimmen, was Franjo sogleich tut und sich seines Lebens erfreut. Es ist himmlisch und sogar ein Baum hat es geschafft sich inmitten dieser Felseinfassung am Ufer des Charcos zu einer stattlichen Größe zu entwickeln und spendet Schatten. Das kühle Wasser ist eine wunderbare Erfrischung nach diesem Weg. Wir sitzen lange da, genießen diesen magischen Platz und nehmen uns fest vor, wiederzukommen. Angeblich soll er fast das ganze Jahr hindurch Wasser führen. 

Fazit

Ob viel, wenig oder noch weniger Wasser... es gibt auf dem Weg zum Charco Azul immer etwas zu bewundern.  Er erstreckt sich vom Pinienwald zur Steilküste hin. Wenn wir in die Stille hineinhorchen, hören wir das Quaken einer Kröte, entdecken den leichten, fröhlich tänzelnden Flug einer Libelle, die eine Expertin im Auffinden reinen Wassers ist. All dies erfassen unsere Sinne zugleich, im Spiel des Lichtes auf den hohen Bergmassiven, Schluchten, Tälern, Klippen, in dem sich unsere Sorgen verflüchtigen, bis sie sich schließlich ganz in der tiefen Ruhe auflösen ... Und dann, nachdem uns der Friede eingenommen hat, können wir aufgetankt mit positiver Energie getrost wieder in die hektische Welt zurückkehren. 

VIVA TIPP: Sie sollten für diese Tour unbedingt festes Schuhwerk tragen und auch trittfest sein, da manche Passagen wirklich schwierig zu meistern sind.

ANFAHRT:

El Risco liegt etwa 14 km südlich von Agaete. Falls Sie vom Süden anfahren, dann empfiehlt sich die Route auf der Autobahn über Mogán Stadt und dann nordwärts. 

Wanderstrecke: 3,8 km (hin und zurück)
Schwierigkeit: Mittel (ohne Markierungen, drei Schilder)
Jahreszeit: Ganzjährig.

Tipp für Abenteurer: Für Wanderer, die den schönen Ausflug im Sommer unternehmen, bietet sich die Gelegenheit am Strand von El Risco ein Sonnenbad zu nehmen. Dazu müssen sie der Schlucht nur bis zur Küste folgen. Dort wurde früher Sand und Kies gewonnen und er liegt abseits jeglicher Touristenrouten. Aber Vorsicht: Hier herrscht im Allgemeinen ein starker Wellengang!