Ausgabe Nr.
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J M upload 29.04.2022, Viva Edition 187 | Print article

El Hierro: Rettung eines Urzeitbewohners - Lagarto Gigante

Ob zu Wasser, im Himmel oder auf der Erde, die Biodiversität auf den Kanaren ist faszinierend und besticht durch die reichhaltige Vielfalt an endemischen Spezies - ob Fauna oder Flora.Leider beeinflussen diverse Faktoren das ökologische Gleichgewicht negativ und gefährden den Bestand einzigartiger Geschöpfe. 
Dabei geht die größte Gefahr von uns Menschen aus, die wir immer nach noch mehr Raum streben, sei es durch verantwortungsloses oder gedankenloses Handeln. Letzteres trifft vor allem auf die Gefahr durch Bioinvasoren zu, wie beispielsweise der Kalifornische Kettennatter. Wir berichteten davon in unserer Ausgabe Nr. 184 vom 31.1.2022, in der die Forschungsergebnisse einer Studie über den dramatischen Rückgang einiger Populationen vorgestellt wurden, wie z. B. Gran Canaria Rieseneidechse, Kanarenskink oder Gestreifter Kanarengecko1) . Auch andere Faktoren können verheerende Auswirkungen haben, wie z. B. ein Vulkanausbruch - ein ‚Supergau‘.2)

Die Kanarischen Inseln sind sich ihrer Verantwortung bewusst und versuchen mit einer Reihe von Maßnahmen gefährdete Pflanzen- und Tierarten zu schützen. Fangverbote in der Fischerei, die Einrichtung von Schutzzonen. Und so kreist beispielsweise der König der Lüfte, ergo der Schmutzgeier, über hiesigem Terrain.
Die unheimlich anmutenden Rieseneidechsen, Lagarto Gigante, bevölkern schon seit tausenden von Jahren die vom Massentourismus verschont gebliebene kleine Insel El Hierro.3) 

Sie haben sich im Laufe der Evolution perfekt an die natürlichen Gegebenheiten angepasst, benötigen wenig Trinkwasser, ernähren sich von Pflanzen und verfügen über ein Regulierungssystem der Körpertemperatur, womit die Tiere heiße und trockene Sommer auf El Hierro ideal bewältigen können. Prachtexemplare erreichen eine Länge von bis zu 70 Zentimetern.

Lange Zeit genossen die Rieseneidechsen ein ruhiges und friedvolles Leben, bis die Menschen kamen. Anfangs dienten sie ihnen als Nahrung, aber auch die Vereinnahmung des Landes durch die Bewirtschaftung eliminierte ihre Habitate. Einen weiteren negativen Einfluss bewirkten Bioinvasoren und allmählich reduzierte sich der Bestand der Echsen drastisch, bis sie schließlich in den 1930-er Jahren als ausgestorben galten. 

Gefährdet

Die Alarmglocken schrillten grell, als sich die Insulaner dieser Situation bewusst wurden, dass nämlich ihr Wahrzeichen für immer von der Bildfläche verschwinden könnte. 
Im Jahr 1985 wurde ein Rettungsprogramm mit den einzigen noch verbliebenen Exemplaren ins Leben gerufen. Die ganze Hoffnung auf den Erfolg lastete auf einem Männchen, zwei Weibchen und einem Jungtier. 
Die Reproduktionen wurden mit Argusaugen überwacht. Zehn Jahre später, im Jahr 1995, wurde ein Lagartario4) errichtet, wo ein künstliches Habitat nachgebaut wurde, das die Vermehrung der Tiere unter idealen Bedingungen forcieren sollte. Unglücklicherweise erlitt das Rettungsprogramm im Jahr 2007 einen herben Rückschlag. Durch einen Erdrutsch verendeten 200 Eidechsen.

Gerettet ...

Mit steigender Zahl der tierischen Bewohner begann man einen Teil von ihnen in abgeschiedene oder schwer zugängliche Zonen in der freien Natur auszusetzen. Die Wiederaussiedelung konzentrierte sich auf sieben Kernzonen, in denen optimale Lebensbedingungen für die Tiere vorherrschten, so der zuständige Leiter der Inselregierung für Biodiversität, Ángel Rodríguez.
Heutzutage sind dank dieses Schutzprogramms diese scheuen Tiere wieder in freier Wildbahn anzutreffen, vornehmlich im Gebiet der Tibataje-Felsen auf einer Höhe von 500 bis 800 Metern (Fuga de Gorreta). Anders als ihre im geschützten Lagartario lebenden ‚Geschwister‘ sind die in den Bergen lebenden Exemplare ihren natürlichen Feinden, wie z. B. Ratten, ausgesetzt. Auch Naturphänomene stellen ein Überlebensrisiko dar.
Für die tierärztliche Überwachung des Bestands, sowohl in Gefangenschaft als auch in der freien Wildbahn, ist der Experte für Rieseneidechsen, Martínez-Silvestre, verantwortlich. Das Rettungsprojekt läuft unter der Schirmherrschaft von LIFE der Europäischen Union zur Erhaltung bedrohter Tierarten. 

Die Urzeit-Riesen, das Wahrzeichen der Insel, sind also wieder da. Da der Lagarto Gigante aber nach wie vor als gefährdet gilt, steht die Spezies unter Naturschutz. Für den Erhalt sind wir Menschen mitverantwortlich und es ist wichtig, ihren natürlichen Lebensraum zu respektieren und die scheuen Sonnenanbeter nicht zu erschrecken. jm
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Lagartario4)
Adresse: Lagartario und Ecomuseo Guinea, Ctra. General Las Punta, La Frontera auf El Hierro. Führungen: Di. - So. von 10.00 bis 18.00 Uhr.
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Verweise (siehe www.viva-canarias.es)
1)Viva Canarias Nr. 184 vom 31.1.2022 „Bioinvasoren gefährden Endemismen auf Gran Canaria“
2)Viva Canarias Nr. 183 vom 1.1.2022 „Folgen der Eruption La Palma: Supergau für die Biodiversität Fauna & Flora“
3)Viva Canarias Nr. 116 vom 2.2.2019 „El Hierro ‚am Ende der Welt‘“