Ausgabe Nr.
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J M upload 26.02.2019, Viva Edition 92 | Print article

La Fortaleza, Neueröffnung des Museums der Festung der Altkanarier

Die mit Abstand meisten archäologischen Funde des Archipels wurden auf der Insel Gran Canaria gemacht. Der Grund liegt unter Anderem darin, dass sich hier die größten Ansiedlungen der Altkanarier befanden und somit auch größte archäologische Kulturerbe hinterlassen wurde. In unserer vorigen Ausgabe begaben wir uns auf die Spuren der Höhlenmenschen im Barranco de Guayadeque. Dieses Mal fahren wir auf Erkundungstour in den Barranco de Tirajana und werden aufzeigen, dass die Gegend rund um der imposanten Felsformation La Fortaleza de Ansite, die jüngst einige interessante Geheimnisse preisgegeben hat. Seit nunmehr zwei Monaten gibt es zudem ein eigenes davor gelagertes Museum.

Fahrt zur Festung:

La Fortaleza

Wir brechen um 11.00 Uhr am Montagmorgen auf und wählen die Strecke auf der Autobahn in nördliche Richtung. Schon nach einigen Kilometern biegen wir bei Juan Grande in Richtung Santa Lucía und folgen der Straße GC-65, die mit jedem Kilometer Ansiedlungen hinter sich lässt. Normalerweise wäre dieses Stück nicht unbedingt das, was wir als sehenswert bezeichnen würden. Doch jetzt im Winter sind die Hänge mit grünen Sträuchern übersät. Wie Wattebäusche lachen uns beispielsweise die Tajinasten, Tabaibas, Agaven und Opuntien an.

Die Straße führt allmählich bergauf und schlängelt sich kurvenreich entlang der Barrancos und gibt linker Hand den Blick in die Tiefen der Schluchten frei. Letzte Wolkenreste kämpfen sich ihren Weg über beharrlich über die Bergkämme.

Zwischenstopp am Aussichtspunkt la Guriete

Magisch zieht uns der Aussichtspunkt „Mirador La Guriete“ an und sie dürfen daran einfach nicht vorbeifahren. Nur wenige Meter hinunter zum Plateau führt ein Trampelpfad von dem aus Sie ein atemberaubendes Panorama genießen können.

Man blickt auf der einen Seite in die tiefen Schluchten und die flankierenden Steilhänge von La Guriete und Los Cuchillos (Messer) und auf der anderen auf das gegenüber liegenden Massiv Macizo de Amurga. Die angenehme Ruhe senkt unseren Pulsschlag und wir genießen einfach nur den Ausblick. Die Büsche leuchten auf den felsigen und sonst kargen Hängen wie grüne Tupfen (Foto 03). Geradeaus vor uns lockt die imposante Felsformation La Fortaleza de Ansite, dem heiß ersehnten Ziel unseres Ausflugs (siehe Foto 01). Wir haben Ihnen zum Vergleich ein Foto aus unserem Archiv ausgegraben, das am 31. August aufgenommen (Foto 02) wurde und sie können selbst sehen, welchen Unterschied es aus Sicht der Vegetation macht im Winter oder im Sommer hinzufahren.

Neueröffnung: Das Museum

Nur wenige Minuten später erreichen wir die Abzweigung von der GC-65 auf die GC-651 „La Fortaleza“ und folgen kaum einen Kilometer dem Straßenverlauf bis zum Museum La Fortaleza. Es wurde erst vor zwei Monaten eröffnet und von der Inselregierung der Gemeinde übergeben. Uns empfängt der Leiter und Archäologe Marco Antonio Moreno Benitez. Er ist maßgeblich an den Ausgrabungen beteiligt und kennt alle Hintergründe und Details.

Das Gebäude hat viele Parallelen mit der „echten“ Fortaleza. Nichts wurde dem Zufall überlassen. „Alt trifft Neu“ könnte man sagen, denn einerseits präsentiert sich das Museum hell und modern. Andererseits stammen die Steine für die Fassade von der nahe gelegenen La Fortaleza, die seit 2002 gefunden wurden. Dieses Zentrum wurde also nach seinem archäologischen Pendant erbaut. Die drei Gesteinsformationen Fortaleza Grande, Fortaleza Chica und Titana vereint ein Basaltmassiv. Sie liegen exakt in einer Linie und nach diesem Vorbild sind auch die Räume des Museums angelegt.

Gleich zu Beginn führt uns Marco Antonio in einen Vorführungsraum. Ein höchst professionell gemachter und interessanter Film in deutscher Sprache gibt Einblicke in das Leben der Urbevölkerung von La Fortaleza, die sich vermutlich 1.100 n. Chr. hier ansiedelten. Man erfährt, wie die Urbewohner tickten und ihr Alltag ablief. Wie war die Gesellschaft strukturiert? Wie funktionierten die Handmühlen und was trugen sie. Manche Filmpassagen sind sogar in der einstigen Sprache nachgestellt. Diese Sequenzen haben deutsche Untertitel. Insgesamt dauert die Vorführung etwa fünfzehn Minuten.

Lieber Tod als in Gefangenschaft

Für die Forscher ist es nach wie vor spannend die kanarische Geschichte zu erkunden. Es gibt keine Aufzeichnungen und so müssen die archäologischen Funde in ihrem Kontext zueinander richtig interpretiert werden und mit jedem Stück vervollständigt sich das Bild. Mit der Eroberung durch die Spanier löste sich die Kultur der Ureinwohner auf. Sie wurden beinahe ausgerottet und, ähnlich wie in Japan, bevorzugten die stolzen Männer den Tod, als sich gefangen nehmen zu lassen. Der 29. April 1483 gilt als offizielles Datum des Niedergangs der Bevölkerung von La Fortaleza de Ansite.

Berühren - erlaubt! Geschichte zum Anfassen

Das Museum gibt viele interessante Details preis. Neben originalen Fundstücken sind auch einige maßstabsgetreue Repliken installiert wie z. B. die Wohnräume oder Utensilien. Einzigartig auf Gran Canaria ist der riesige Touchscreen auf einem Tisch. Das bedeutet dass man mit seinen Händen verschiedene Themenbereiche anklicken kann und wie beim iPhone bzw. seinem Smartphone vergrößern oder verschieben und so das Gewünschte im Detail ansehen kann. Die Fotos, Archive, Pläne und Hintergrundinfos sind in mehreren Sprachen verfügbar. Auf der Dachterrasse wurde eine begehbare Steinbehausung nachgebaut (siehe Foto oben) und eingerichtet wie zur Zeiten der Urbevölkerung. Es riecht sogar nach Binsen und Ziegen. „Wir wollen, dass die Besucher die Welt der Altkanarier erleben“, sagt Marco Antonio.

Jüngste Entdeckung: Die Siedlung am Fuße der Felsformation

Durch die fast senkrechten Felswände und den umgebenden Schluchten bot die La Fortaleza einen natürlichen Schutz, der sie beinahe uneinnehmbar machte. Vor etwa einem Jahr entdeckte man bei Ausgrabungsarbeiten allerdings auch etliche Steinhäuser. Man vermutet, dass einst zwischen 300 und 500 Menschen dort lebten. Die Bevölkerung sicherte diese natürliche Festung zusätzlich mit einer Stadtmauer ab. Es gab nur einen einzigen Zugang zum Dorf, das sich am Fuße von La Fortaleza befand.  Nach wie vor werden Steinhäuser freigelegt und archäologische Funde gemacht. Täglich sind vier Forscher für die Ausgrabungen vor Ort. Marco Antonio vermutet sogar, dass La Fortaleza eine der interessantesten archäologischen Fundstellen der Kanaren sein könnte.

Ausgrabungen laufen auf Hochtouren

Die Altkanarier sicherten die Festung mit Mauern ab. Eine weitere Kuriosität ist der Felsgipfel von La Fortaleza, wo ungewöhnliche Einbuchtungen gefunden wurden. Zudem haben die Altkanarier an mehreren Stellen Mauern aus Stein erbaut. Diese sind mit dem freien Auge nicht gleich zu erkennen. Doch bei genauem Hinsehen entdeckt man die Unterschiede. Der Basalt ist etwas dunkler und großflächig glatter während die künstlichen Mauern aus kleineren Steinen erbaut wurden. Es gab somit nur einen einzigen Aufstieg und Zugang zum Dach dieser Festung. Durch die natürlichen Gegebenheiten und den künstlichen Erweiterungen konnte somit jeder Angriff mit nur zwei Männern abgewehrt werden. Gegenwärtig sind die Archäologen in dieser schwindelerregenden Höhe tätig. Sie müssen für ihre Arbeit täglich diesen einzigen, halsbrecherisch steilen Aufstieg bewältigen. Chapeau! Zum Veranschaulichen haben wir versucht diese Zonen an der Fortaleza Grande in der Skizze auf der Linken Seite einzuzeichnen.

Höhepunkt: die Begehung von La Fortaleza Grande - von vorne

„Grau, treuer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum“ sagte Mephisto in Goethes Faust und hat unserer Meinung nach recht. Also begeben wir uns nun in die Praxiserforschung von La Fortaleza Grande. Keinen Kilometer entfernt befindet sich die archäologische Fundstelle direkt am Fuß der Festung.

Gespickt mit dem zuvor angeeigneten Wissen erkennen wir all die vielen Details in der Realität. So wunderschön wie jetzt ist mir diese Felsformation noch nie vorgekommen. Nun ist die einstige Steinmauer, die von der Urbevölkerung zum Schutz angelegt wurde, erkennbar. Allerdings hat sich die Natur während der feuchten Wintermonate stark gemacht und ihren Weg zwischen den Steinen gefunden. Die Festung ist quasi gespickt mit Sträuchern.

Wir folgen Marco Antonio den steinigen Weg etwa hundert Meter in Richtung der großen Höhle, die zu beiden Seiten offen und somit eigentlich ein Tunnel ist. Dieser diente der Urbevölkerung vermutlich als Versammlungsplatz und war einst ausgemalt. Reste sind in einer Nische am hinteren Ausgang links in roter und weißer Farbe noch zu erkennen.

... und von hinten

Wir folgen unserem Führer über den hinteren Ausgang nach links einige Schritte abwärts auf den Felsen. Was wir nämlich nicht wussten ist, dass man diesen Steinkoloss auch umgehen kann und das sogar bequem auf diesem Trampelpfad, der uns wieder neue Ein- und Ausblicke schenkt. Man sollte allerdings schwindelfrei sein, denn rechts blickt man steil in die Tiefe. Am Ende der Formation sieht man die drei Höhlen der benachbarten Fortaleza Chica, die als Begräbnisstätte diente.

Wir gehen allerdings bequem das kurze restliche Stück zum Ausgangspunkt unseres Rundweges. Wir kommen davor noch an einigen Ruinen einstiger Steinbehausungen vorbei, die von der Natur fast überwuchert sind (siehe Foto 04). Nun sind wir wieder am Plateau davor, wo wir unser Auto geparkt haben.

Fazit

Sie sollten Ihren Besuch der Gesteinsformation La Fortaleza unbedingt mit dem nahe gelegenen neu eröffneten Museum kombinieren. Allerdings würden wir Ihnen empfehlen ihn auch in dieser Reihenfolge zu machen wie wir es getan haben, denn sonst wissen Sie nicht worauf Sie achten müssen und erkennen vielleicht nicht alle Details. Auch Hunde sind erlaubt und sogar im gleichnamigen Museum.

Die Anfahrt dauerte keine vierzig Minuten mit dem Auto. Ein Bus führt dort nicht hin (ausgenommen Ausflugsfahrten). Sie können Ihre Erkundungstour auch flexibel erweitern und kombinieren.

Sie könnten den Rückweg über Santa Lucía, Tunte und Fataga antreten. So haben Sie zusätzliche Highlights, die Sie erleben können wie z. B. die Eselsfarm. Sie liegt quasi auf dem Weg und ist nicht nur für Familien ein Hit. Kanarische Gastlichkeit in sehr familiärer Atmosphäre mit sehr fairen Preisen und jede Menge Esel (auch zum Ausreiten für die Kleinen).

Wir wünschen viel Spaß auf Ihrer Entdeckungstour!

Kontakt

Museum La Fortaleza (500 m neben der Felsformation)
Hoya de Rábano 48 an der GC-651 bei km 1,9 - La Sorrueda / Santa Lucía
Geöffnet: Di. bis So. von 10.00 bis 17.00 Uhr, montags geschlossen.  Hunde sind erlaubt mit Leine. Eintritt: 4 Euro 2 Euro für Arbeitslose und Senioren, 3 Euro für Gruppen ab 10 Personen, Führungen in verschiedenen Sprachen auf Anfrage für 10 Euro (mind. 8 Personen), Tel.: 928 798 580 und 690 188 446.
Email: info@lafortaleza.es
Anm.: Für jeden hundertsten Besucher wird ein Baum gepflanzt. Damit unterstützt dieses archäologische Zentrum die jährliche Initiative der Inselregierung zum Tag des Baums („Día de Arbol“).

Siehe auch - Spektakuläre Archäologiefunde bei La Fortaleza