Ausgabe Nr.
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J M upload 06.10.2019, Viva Edition 156 | Print article

La Tropical - 95 Jahre Bier aus den Kanaren

Bier und Kultur sind nicht für alle miteinander asoziierbare Worte, zu unrecht – reicht doch die Bierkultur viele Jahrhunderte zurück. Bier trinken, sofern man es nicht ´kübelweise reinchüttet‘, ist in den letzten Jahren durchaus salonfähig geworden, selbst bei den eingefleischten Weinliebhabern.

Szenelokale statt Ballermann 

Bier brauen ist eine wahre Kunst, es zu bewerten, ebenfalls. Dabei ist ein Biersommelier höchst gefordert und zwar nicht nur wegen des theoretischen Hintergrundwissens, das ihm abverlangt wird, sondern auch wegen der erforderlichen sensorischen Fähigkeiten. Um Bierstil und Bierflavor, also den Geschmack, bestimmen zu können, werden aufgrund der möglichen Vielfalt der Braukreationen höchste Ansprüche an Nase und Gaumen gestellt. Weltweit soll es zwischen 10.000 und 15.000 verschiedene Biere geben und die Markenvielfalt in Deutschland ist nach wie vor führend. In Bayern wurde 1516 das älteste noch gültige Lebensmittelgesetz für die Herstellung von Bier festgelegt. Allerdings haben in den letzten zehn Jahren andere Länder, wie z. B. Italien oder die USA, bei der Bierproduktion stark aufgeholt, besonders beim sogenannten Craft-Beer. Dabei handelt es sich um kreativ gebraute individuelle Biere, meist in Handarbeit.

Weltweit gibt es um die 100 Bierstile, von Kölsch, Weißbier, Schwarzbier, Lagerbier, Zwickelbier, Märzen,  Rauchbier, Scottish Ale bis hin zu Wild Ale. Das Pilsener, kurz als Pils bezeichnet, ist untergärig gebraut, mit einer leichten Hopfenbetonung und einem schlanken Geschmacksprofil mit wenig Körper. Beim hellen Pils ist die Hopfenbittere Note weniger dominant, umgekehrt wären sie eher dem ‚american style‘ zuzuordnen. 

Tropical, das älteste Bier seit 1924

Was auf Teneriffa das Dorada Bier ist, ist auf Gran Canaria das Tropical, um das sie einfach nicht herumkommen werden. Die leuchtende grüne Farbe, der Hund, das Wappentier von Gran Canaria, auf dem Etikett. Leicht und für eine perfekte Kühlung an heißen Tagen soll dieses Pilsener sorgen und mit ‚nur‘ 4,7 % Alkoholgehalt auch den Kopf nicht gleich zu schwer machen. 

... Eine Zeitreise

Der Ursprung dieses Industriebiers reicht bis ins Jahr 1924 zurück. In der Gegend von Los Arenales vor Las Palmas de Gran Canaria begann Castor Gómez Navarro mit der Produktion. Er war Vizepräsident der Handelskammer der Hauptstadt und zudem mit seinem Unternehmen Sociedad Industrial Canaria (SICAL) im Kaffee- und Schokoladengeschäft tätig. Er verstarb im selben Jahr und sein Sohn Tomás Gómez Bosch übernahm die Geschäfte. Die erste Produktion lief mit einem 50 PS starken Dieselmotor und man produzierte in etwa 2.000 Liter täglich. Viele bedeutende Mitbewerber hatte er nicht, lediglich die Marken La Salud, La Habanna (1888) und eines aus Panama (1914).

Die Gäste konnten das La Tropical Bier gleich vor Ort in der angeschlossenen modernen Bierkneipe (siehe Foto) genießen, wo es in Porzellankrügen kredenzt wurde. Es lief nicht schlecht, doch der Spanische Bürgerkrieg hatte die Wirtschaft in Bedrängnis gebracht, insbesondere was ‚Luxusgüter‘, wie Schokolade, Kaffee oder Bier betraf. Aufgrund finanzieller Engpässe fusionierte man 1939 mit dem tenerfinischen Unternehmen CCC (Compañia Cervecera de Canarias) mit Sitz auf Teneriffa. Dieses wurde von den Familien Vega Sarmiento, Curbelo Grondona und Sánchez Jiménez kontrolliert und sie gaben nicht nur Geld, sondern auch neue Impulse. Zwei Kapitalerhöhungen, jeweils 1941 und 1946, wurden erforderlich. 

1948 litt La Tropical unter den Folgen des Zweiten Weltkriegs und den damit verbundenen Versorgungsengpässen, indem es Hopfen und Gerste nicht zu einem marktfähigen Preis erwerben konnte. Logischerweise konnten sie auch die Maschinen und Ersatzteile, die aus Deutschland stammten, während des Krieges nicht erwerben. Innerhalb eines Jahres schrumpfte die Produktionsmenge auf lediglich 5.000 Flaschen pro Tag. 

Mitte der 1950-er Jahre übersiedelte die Brauerei mit etwa hundert Mitarbeitern in den Stadtteil Barranco Seco von Las Palmas de Gran Canaria, wo die Produktion modernisiert wurde und im folgenden Jahrzehnt verdreifachte sich die Zahl der Mitarbeiter.

Das Unternehmen war gezwungen,  seine Prioritäten bzw. die Geschäftstätigkeit auf die Fischindustrie, kaufte Schiffe für die Fischerei etc. zu verlagern. Dabei firmierte sie zu einer Aktiengesellschaft (S.A., Sociedad Anónima) um und modernisierte abermals die Produktion. Rosige Zeiten mit ‚tiefschwarzen Zahlen‘ brachen an und bis 1965 erreichte die Produktion von Bier 100.000 hl.

Tropical … jünger, moderner, hipp …

In den 1990-er Jahren machten  Bierimporte aus Europa den beiden Marktführern Tropical auf Gran Canaria und Dorada auf Teneriffa das Leben schwer. Um auf dem Markt bestehen zu bleiben, indem Ressourcen konsolidiert werden konnten, fusionierten beide Unternehmen im Jahr 1994. Das zog viele Änderungen nach sich und man verpasste dem Bier einen Imagewechsel. Der Markenname wurde von „La Tropical“ auf „Tropical“ geändert, das Corporate Design präsentierte sich nun jünger, moderner und hipp. Das neue Marketingkonzept ließ man sich 2,5 Millionen Euro kosten. 

‚Ich bin blau‘, prost - Bahnbrechend war 2012 die Einführung des thermosensitiven Etiketts, indem die Farbe des Hundes sich von grün auf blau ändert, sobald die ideale Trinktemperatur von 6 ° C erreicht wird. Nun kam Sab Miller und investierte in die Gesellschaft CCC (Compañia Cervecera de Canarias). Im Jahr 2004 wurde begonnen auch für Dritte abzufüllen. Heute werden neben Tropical und Dorada u. a. folgende Getränke produziert: Appletiser, Beck, Corona, Estrella, Franziskaner, Kelson, Beck, Stella Artois und Red Bull. 

2015 kaufte Biergigant AB Inbev1) das Unternehmen, wenngleich es operativ betrachtet noch immer ein kanarisches Unternehmen ist, in dem die komplette Produktion, der Vertrieb und die Steuerpflicht angesiedelt ist.

2017 investierte CCC nochmals 149 Millionen Euro und beliefert heute etwa 25.000 Abnehmer aus den Bereichen Hotel, Gastronomie, Bars und Geschäfte. Der Jahresumsatz betrug 23 Millionen Euro im Jahr 2017.

KURIOSES TROPICAL

Weltrekord inklusive

Ein Weltrekord gelang am 5. Juni 2010, indem am Las Canteras Strand das weltgrößte Badetuch mit 2.240 Quadratmetern kreiert wurde. Dieses wurde anschließend in kleine Stücke zerteilt und verkauft. Die Erlöse kamen sozialen Projekten zugute. 

Auf, zum Mond …

2014 versuchte man das Bier auf eine ungewöhnliche Weise zu kühlen, indem eine Sonde eine Bierdose in die Stratosphäre befördern sollte. Das Event wurde live vom Süden Gran Canarias aus übertragen und die Zuschauer konnten mitverfolgen, wie sich der Hund auf dem Etikett ‚blau‘ verfärbte.  (siehe Youtube)

Kurios - Woher stammt der Name?

Bier, bière, birra, beer … oder cerveza

Warum wird in Spanien, als einziges Land Europas, der beliebte Durstlöscher mit einem gänzlich anders klingenden Wort, nämlich Cerveza, bezeichnet? Laut dem Wörterbuch der königlich spanischen Akademie (Real Academia Española) hat das Wort seinen Ursprung im lateinischen „CERVÊSÏA”, das von den Kelten übernommen wurde. Auch im Buch „Liebhaber des Biers“ von Phillippe Duboë-Laurence und Christian Berger beziehe sich das Wort auf ‚cervoise‘ bzw. ‚cerevisia“ aus der einstigen römischen lateinischen Kornkammer ‚Ceres‘. Im 16. Jhdt. begannen die Spanier die gallisch-romanische Ableitung ‚cerevisiae‘ zu verwenden, während sich in Frankreich und anderen europäischen Ländern allmählich ‚biere‘ durchzusetzen begann. Letzteres leitete sich vom lateinischen ‚bibere‘ ab. Die Briten entlehnten ihr ‚ale‘ dem skandinavischen Ausdruck ‚oel‘ und am Balkan setzte sich ‚pivo‘ durch.

PRODUKTE

• Tropical: Goldfarben, hell und klar, Malzgeschmack mit leicht saurer und fruchtiger Note, nicht komplex, dafür ideal für heiße Tage mit 4,7 % Alkoholgehalt.

• Tropical Premium (seit 2003): höhere Qualität, 100 % Malz, doppelt Hopfen, sehr erfrischend, ausgewogen in seinem Körper, angenehme Bitterkeit.

• Tropical Limón (seit 2013): sehr beliebt mit frischem Zitronengeschmack, besonders an heißen Tagen, weniger Alkoholgehalt von nur 2 %

• Saturday ist eine Billigschiene mit 4,7 % Alkoholgehalt (seit 2009)

• Ok-Tropifest (2014/2015), Limited Edition eigens als ‚Oktoberfestbier‘ nach deutscher Tradition gebraut, speziell für das Tropical Fest in Las Palmas de Gran Canaria, stark mit  6,3 % Alkoholgehalt (siehe Event  Tropical Fest - „Festival Cero“ in Las Palmas, Bierfest vom 11. - 13. Oktober 2019

50 Biersorten im Holiday World Maspalomas

Im Beer & Burgers in der 1. Etage des Holiday World werden fünfzig Biere aus der ganzen Welt geboten, wie z. B. Paulaner Hefe-Weißbier, Weihenstephaner, Pilsner Urquel, Barista Chocolate, Mort Subite, Duvel, La Chouffe, El Aguila, Brewdog, Gulden Draak, Punk Ipa, O‘hara Irish Red etc. Die Preise reichen von 2 bis 5 Euro, je nach Bierspezialität und Herkunftsland. Geöffnet ab 19.00 Uhr.

Bildunterschriften:
01: Das Bier La Tropical konnte vor Ort konsumiert werden und wurde in den 1930-ern in Porzellankrügen serviert.
02: Abfüllanlage von „La Tropical“, wie das Bier in den 1950-ern hieß.