Ausgabe Nr.
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J M upload 01.09.2018, Viva Edition 141 | Print article

Rechtstipp Nr. 127 – Illegale Hausbesetzungen in Spanien

1. Was ist eine Hausbesetzung?

Eine Hausbesetzung („ocupación“) gibt es wenn jemand in eine fremde Immobilie eindringt oder sich dort gegen den Willen des Eigentümers oder seines Mieters aufhält (der sogenannte „okupa“ auf Spanisch). Dabei nutzen die Besetzer meistens aus, dass manche Immobilien (z. B. Zweitwohnungen oder Wohnungen die zum Verkauf stehen, oder Immobilien die von einem Gericht versteigert werden sollen) lange leer stehen, oder dass die dort wohnenden Personen kurzfristig weg sind, zum Beispiel im Urlaub. Die Immobilien werden dann entweder als Wohnung der illegalen Besetzer genutzt, oder (das meistens bei Lokalen den Ämtern gehören) als „Kulturzentrum“ oder Sozialer Treffpunkt“ der Besetzer-Bewegungen genutzt. 

2.  Warum ist eine Hausbesetzung illegal bzw. schädlich?

a) Die Eigentümer haben natürlich das Recht, das ihr Eigentum respektiert wird. Für die Eigentümer ist manchmal eine solche Besetzung eine wahre Katastrophe, denn oft benötigen sie selbst die Immobilie,  um sie zu bewohnen oder zu vermieten. 

b) Die Schäden, Verwüstungen und Plünderungen sind oft verheerend. Häufig werden die Möbel, persönliche unersetzliche Gegenstände  und wichtige Unterlagen der Eigentümer gestohlen bzw. entsorgt oder die Wohnungen werden verwüstet. Meistens sind die illegalen Hausbesetzer zahlungsunfähig, sodass der  Eigentümer auf seinen Schäden sitzen bleibt.  Manchmal gehen besetzte Immobilien sogar in Flammen auf… 

c) Die Hausbesetzer zahlen weder Umlagen für die Gebäude, noch Wasser, Strom u.s.w. 

d) Oft werden besetzte Wohnungen zu Drogenumsatzplätzen, es werden ständig Partys gefeiert, die  Besetzer wechseln ständig und keiner kümmert sich um den Erhalt der Wohnung oder will für entstandene Schäden haften. 

e) Sehr oft werden Gemeinschaftszonen des Gebäudes verschmutzt oder beschädigt. Es entstehen Probleme zwischen den Besetzern und den anderen Bewohnern des Hauses … 

3. Wie oft kommt dieses Problem in Spanien vor?

Das Problem ist in den letzten Jahren stark gewachsen, betrifft aber immer noch meistens (aber nicht immer) Zweitwohnungen, Grossstädtewohnungen, die Banken nach einer Vollstreckung gehören und lange leer stehen, oder Immobilien die Behörden gehören, oder Wohnungen die sehr lange verlassen aussehen. Seit den sechziger Jahren gibt es Hausbesetzungen in Grossbrittanien, in Deutschland, in den Niederlanden und zuletzt auch in Spanien. In den letzten zehn Jahren haben sich allerdings die Fälle in Spanien mehr als verdoppelt. Im Jahre 2015 gab es in Spanien sage und schreibe, laut offizieler Statistiken, 22.461 illegale Hausbesetzungen, und 3.278 strafrechtliche Verurteilungen. Es gibt mehrere Gründe dafür: 

a) In Spanien gibt es Millionen leere Wohnungen und eine sehr hohe Arbeitslosigkeit, besonders unter Jugendlichen, die deswegen sehr lange bei den Eltern wohnen bleiben müssen, und nicht unabhängig werden können, obwohl sie das wollen. 

b) Es gibt politische Strömungen, die verständnisvoll zur Hausbesetzung sind und sie quasi als legitime Protestmittel gegen ‚das kapitalistische System‘ betrachten oder als ein legitimes Mittel, um an eine Wohnung zu kommen wenn es Wohnungsknappheit gibt. In Spanien geniessen die illegalen Hausbesetzer oft die Unterstützung von den linken Parteien (besonders Podemos und ihre Bürgermeister von Madrid und Barcelona, und die Leute der „Bewegung 15M“). 

b) Die extreme Milde der Gesetze, die die illegalen Hausbesetzer zu lasch bestrafen; 

c) die unerträgliche Langsamkeit der Gerichte. Allerdings: Gerade ist ein neues Gesetz in Kraft getreten, wo ein ziviles Schnellverfahren für solche Fälle vorgesehen worden ist. 

d) die Tricks der illegalen Hausbesetzer, um Gerichtsprozesse zu verlangsamen. Die sog. „okupas“ sind manchmal gut organisiert und beraten sich gegenseitig mit Vereinen, Anwälten und im Internet.

4. Wei sieht die legale Situation in Spanien aus?

a) Die spanische Verfassung erklärt dass jeder das Recht auf eine würdige Wohnung hat (Art. 47). 

b) die spanische Verfassung erkennt auch das Recht auf Privateigentum (Art. 33) und das Recht auf die Unversehrheit des eigenen Domizils an (Art. 18), sodass keiner ohne Gerichtbeschluss oder Genehmigung der dort wohnenden Person eindringen kann/darf.

c) Man kann auch gegen unbekannte Personen (wenn man nicht weiss, wer  die Leute sind, die in die Wohnung eingedrungen sind) eine zivilrechtliche Räumungsklage einreichen.  

d) Illegale Hausbesetzungen sind in manchen Fällen eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit, wie folgt:

5. Bestrafung von illegalen Hausbesetzern?

Das spanische Strafgesetzbuch sieht mehrere Straftatbestände vor, die eine Strafe verdienen: 

a) Die Besetzung einer Immobilie mit Gewalt oder Gewaltandrohung („usurpación“). Art. 245,1 des spanischen Strafgesetzbuches sieht eine Freiheitsstrafe von einem bis zwei Jahren Gefängnis für diejenigen die mit Gewalt oder Gewaltandrohnung  eine fremde Immobilie besetzen, ob sie eine Wohnung ist oder eine andere Art von Immobilie. Dazu erhält der Täter auch die Strafe für die begangenen Gewalttaten. Das Problem: Wenn er nicht vorbestraft ist, erhält der Täter in der Regel die Strafe auf Bewährung. 

b) Die Hausbesetzung ohne Gewalt und ohne Gewaltandrohung (wo jemand tatsächlich wohnt) oder „Hausfriedensbruch“ („allanamiento de  morada“). Art. 202.1 des spanischen Strafgesetzbuches verordnet, dass derjenige, der die Wohnung einer anderen Person besetzt, ohne Gewalt oder Gewaltandrohung, eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu zwei Jahren bekommen soll. Diese Strafe kann auch in der Regel auf Bewährung ausgesetzt werden, wenn man nicht vorbestraft ist. 

c) Die Besetzung einer Immobilie, die kein Wohnsitz ist, ohne Gewalt und ohne Gewaltandrohung wird im Art. 245,2 nur mit einer Geldstrafe von 90 bis 180 Tagessätzen bestraft.  Bei Nichtzahlung dieser Geldstrafe geht man zwei Tage lang pro nicht bezahltem Tagessatz ins Gefängnis. 

d) Die anderen Hausbesetzungen die nicht strafrechtlich relevant sind können laut art. 37,7 des Gesetzes Ley Orgánica 4/2015 de Protección de la Seguridad Ciudadana von der Polizei mit einer Geldstrafe von 100 bis 600 € bestraft werden. 

d) Die Körperverletzungen oder die Bedrohungen oder der Diebstahl die zusammen mit der Hausbesetzung stattfinden, können ausserdem separat bestraft werden.  Die Sachbeschädigung („delito de daños“) wird im Art. 263.1 folgenderweise bestraft: Bei Schäden unter 400€  (delito leve) muss der Täter die Entschädigung zahlen und eine Geldstrafe von 30 bis 90 Tagessätzen); bei grösseren Schäden (delito grave) ist die Geldstrafe von 180 bis zu 720 Tagessätzen. Bei den kleineren Schäden unter 400 € gilt man danach nicht als vorbestraft. Der illegale Anschluss am  Stromnetz oder an der Wasserversorgung (aber nicht lediglich die Nutzung vom Wasser oder Strom der besetzten Wohnung) ist auch extra strafbar, wenn schon die Strafen sehr klein sind (Geldstrafe von 90 bis 360 Tagessätzen, oder 30 bis 90 Tagen wenn der Schaden unter 400 € bleibt). Gefälschte Unterlagen um die Besetzung zu rechtfertigen können auch wegen Fälschung bestraft werden. Die Vermietung einer Immobilie die einem nicht gehört ist ebenfalls eine Straftat (Betrug).

6. Welche Probleme gibt es bei der Bestrafung?

a) Manchmal weiss man nicht wer in der Wohnung ist, weil die Besetzer die Tür nicht öffnen, weil sie kommen und gehen, weil sie ständig wechseln. 

b) Ohne Anzeige des Eigentümers kann man nichts machen, denn nur mit der Anzeige weiss man, dass es eine „Besetzung“ gab. 

c) Wenn man die Besetzer auf frischer Tat ertappt, dann kann die Polizei sofort handeln. Aber, wenn die Anzeige erstattet wird, ist es oft zu spät, und die Besetzer „wohnen“ schon im besetzten Haus, wenn auch illegal. Dadurch verdienen haben sie auch den Schutz des Gesetzes und man kann sie nicht einfach verhaften und rausschmeissen; ein Richter muss dann entscheiden, und das passiert erst nach einigen Monaten. 

d) Die Besetzer legen oft (gefälschte oder ungültige) Mietverträge vor, um den Rausschmiss zu verzögern. 

e) Der Eigentümer darf weder Wasser noch Strom abzustellen, noch die Schlösser austauschen, denn sonst kann er selbst Probleme haben, wegen Nötigung.  

f) Manche Besetzer werden von Besetzermafias unterstützt, die manchmal gewalttätig werden können. 

g) Die Besetzer haben manchmal ganz schlaue Anwälte die natürlich für ihre Mandanten alles tun, damit sie straffrei auskommen.

7. Wie beugt man vor?

a) Passen Sie auf: Wem haben Sie die Schlüssel Ihrer Wohnung anvertraut? Ist diese Person vertrauenswürdig?

b) Installieren Sie eine Alarmanlage damit Sie sofort davon erfahren, wenn Ihre Wohnung besetzt werden sollte.

c) Installieren Sie gute Türen und Fenster, Gitter, usw. 

d) Beseitigen Sie alle Zeichen davon, dass die Wohnung nicht bewohnt ist. 

e) Haben Sie eine Versicherung die so etwas deckt?

8. Tipp: Wie reagiert man richtig?

a) Sofort einen Anwalt kontaktieren!

b) Einreichung einer Strafanzeige oder einer zivilrechtlichen Klage. 

c) Manchmal lohnt es sich, mit den Besetzern zu verhandeln. Manchmal verlassen sie mit (legalen) Drohungen oder mit Bestechung die besetzten Häuser.

d) Werden Sie nicht selbst straffällig. Manche unterliegen der Versuchung, in das (eigene) Haus einzudringen und die Immobilie wenn nötig mit Gewalt zu räumen, oder bestimmte Schläger zu schicken die das für einen tun, oder Wasser und Strom abzustellen, aber das ist keine gute Idee. Machen Sie sich nicht noch mehr Probleme!

Ihr José Antonio Pérez Alonso
Rechtsanwalt/Abogado