Ausgabe Nr.
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J M upload 30.12.2019, Viva Edition 159 | Print article

Rechtstipp Nr 141 - Pflege in Spanien

PFLEGE IN SPANIEN

Wie Sie wissen, ist Spanien eines der Länder der Welt, wo die Menschen eine längere Lebenserwartung haben. Das ist auf der einen Seite sehr schön, aber auf der anderen Seite bedeutet das auch, dass der Staat länger Renten zahlen muss, und dass viele eine gewisse Unterstützung brauchen, besonders in den letzten Jahren des Lebens, um weiter ein würdiges Leben führen zu können. Krankheits- oder altersbedingt benötigen immer mehr Menschen entweder finanzielle Unterstützung oder Hilfe bei der Bewältigung ihres Alltags. Die klassische Großfamilie, die in der Vergangenheit diese Aufgaben übernahm, gibt es in dieser Form kaum noch. Frauen sind überdies viel öfter arbeitstätig als früher und daher nicht mehr bereit und in der Lage diese zusätzliche Bürde zu übernehmen. Aus diesem Grund muss der Staat einspringen. Spanien ist ein Land, wo die „soziale“ Marktwirtschaft in der Verfassung verankert ist, aber trotzdem können wir uns leider keine richtige soziale Politik leisten, da die zur Verfügung stehenden Mitteln nicht ausreichen. Es gibt darum in Spanien keine staatlich organisierte Pflegeversicherung, so dass hierzulande die Erwartungen an staatliche Hilfe nicht allzu hoch sind...

 „LA DEPENDENCIA“. Das im Gesetz „Ley 39/2006, de Promoción de la Autonomía personal y atención a las Personas en Situación de Dependencia” (kurz „Ley de Dependencia“) benutzte Wort „dependencia“ entspricht in etwa dem deutschen Begriff „Pflegebedürftigkeit“. Pflegebedürftig ist nach dem spanischen Gesetz jeder der krankheits- oder altersbedingt, körperlich, intellektuell oder seelisch behindert ist und deshalb auf fremder Hilfe angewiesen ist in den täglichen Angelegenheiten des Lebens. Pflegestufe I („grado 1 de dependencia“, bzw. „dependencia moderada“) heißt in Spanien geringfügig behindert zu sein. D.h., lediglich einmal  täglich auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. In der Pflegestufe 2 („grado 2 de dependencia“, bzw. „dependencia severa“) werden diejenigen erfasst, die mehrmals am Tag auf fremde Hilfe angewiesen sind, aber keine ständige Hilfe benötigen. In der Pflegestufe 3 („grado 3 de dependencia“, bzw. „gran dependencia“) befinden sich sodann diejenigen, die ständig auf fremde Hilfe angewiesen sind.  

BEDINGUNGEN, UM DIE HILFE ZU ERHALTEN.  

Um die Hilfe zu erhalten, muss man folgende Bedingungen erfüllen: 

- Spanier sein. Ausländer haben leider keinen Zugang zu dieser Hilfe; das wäre also vielleicht ein Grund, um in manchen Fällen die spanische Staatsangehörigkeit zu beantragen... Auch EU-Bürger haben Anspruch auf Hilfe, wenn sie zehn Jahre lang hier legal ihren Hauptwohnsitz haben oder nach zwei Jahren, wenn sie einen Spanier oder eine Spanierin geheiratet haben…

- In Spanien mindestens seit 5 Jahren leben, davon 2 Jahre vor der Antragstellung.

- Die pflegebedürftige Person selbst, oder ein Angehöriger, oder ein Vertreter, oder sogar ein Amt, können den Antrag stellen. Den Antrag kann man in der Gemeinde stellen, oder im „Centro de Salud“  des Kanarischen Gesundheitsministeriums. 

- Dem Antrag muss man eine Kopie des Ausweises, eine Anmeldebescheinigung, einen ärztlichen Bericht, eine Einkommensteuererklärung (oder einen anderen Einkommensnachweis, wenn man keine Steuererklärung gemacht hat), sowie einen Bericht vom Sozialamt beifügen. Danach erhält man Besuch vom Amtsarzt, der einen  begutachtet. Anschließend beschließt die Kanarische Regierung über die offizielle Anerkennung des Grades der Pflegebedürftigkeit. Sodann entscheidet das Amt noch, welche Art der Unterstützung man erhält, mit dem sogenannten „plan individual de atención“ (also mit dem individuellen Behandlungsplan).

- Ein bisschen Geduld ist nötig: Obwohl theoretisch die Antwort innerhalb von sechs Monaten erfolgen sollte, dauert es in der Tat fast zwei Jahre nach Antragstellung bis man die Hilfe erhält.  

- Wenn man mit dem Beschluss des Amtes nicht einverstanden ist oder keine Antwort erhält, kann man Einspruch („recurso de alzada“) innerhalb von einem Monat nach Erhalt des Beschlusses erheben, oder innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Frist, in der das Amt hätte entscheiden müssen.  Erst nach der zweiten Entscheidung des Amtes kann man dann den Klageweg beschreiten. 

WER IST ZUSTÄNDIG, UM ÜBER DIE HILFEN ZU ENTSCHEIDEN? 

Die spanischen Bundesländer („comunidades autónomas“) sind diejenigen, die laut dem staatlichen Gesetz 39/2006 über diese Hilfen entscheiden müssen und diejenigen, die sie auch bezahlen müssen. Leider bekommen die Bundesländer schon seit Inkrafttreten dieses Gesetzes keine ausreichenden Mittel vom Staat. Mit Recht haben sie dagegen protestiert, denn der spanische Staat zwingt sie dazu, Hilfe zu leisten, aber er überweist ihnen viel zu wenig Geld, um diese Hilfe leisten zu können. 

WIE SIEHT DIESE HILFE AUS?

Die Hilfe, die man erhält, hängt von verschiedenen Umständen ab: a) von der Stufe der Behinderung; b) von der wirtschaftlichen Lage des Bedürftigen; c) von der familiären Situation des Bedürftigen; d) und sogar von der Verfügbarkeit von Mitteln, um zu helfen. 

a) „Teleasistencia“. Hilfe per Telefon, oder mittels eines Geräts, bei dem man auf einen Knopf drückt und Tag und Nacht mit der Hilfestelle verbunden wird.

b) „Servicio de ayuda a domicilo“ heißt, man bekommt regelmäßig Hilfe, um die Wohnung aufzuräumen, zu putzen, um zu waschen, um zu kochen, um sich zu duschen oder sich zu ernähren, usw. 

c) „Centro de día y de noche”. Die bedürftige Person kann nur tagsüber, oder nur nachts, die Zeit in einem Heim verbringen. Dort soll sie soziale, emotionale und ärztliche Betreuung erhalten.

d) „Servicio de atención residencial“. Die pflegebedürftige Person erhält entweder permanent oder zeitweise eine Stelle in einem Heim, entweder weil dies notwendig ist, oder in Fällen, in denen ihre Pfleger gerade im Urlaub oder verhindert sind. 

e) Finanzielle Unterstützung. Nur ausnahmsweise, wenn die anderen Arten von Unterstützung nicht möglich oder ausreichend sind, kann das Amt entscheiden, dass die pflegebedürftige Person (zweckgebunden) eine gewissen Betrag erhält, um damit die mit der Pflegebedürftigkeit verbundenen Kosten zu tragen. Normalerweise geht es um die Zahlung eines professionellen Pflegers oder um die Zahlung an ein Familienmitglied, das die Pflege übernimmt. Damit ein Angehöriger dieses Geld als Pfleger erhält, muss diese Person volljährig sein, körperlich und geistig geeignet, Ehegatte oder Lebenspartner oder Verwandter des Bedürftigen bis zum dritten Grad sein. Zudem muss der Pfleger schon mindestens ein Jahr lang vor Antragstellung bei dem Bedürftigen wohnen und ihn gepflegt haben. Außerdem muss die Beziehung zwischen Bedürftigen und Pfleger gut sein und dessen Wohnung auch zur Pflege geeignet sein.  In der Regel darf keine Person mehr als einen Verwandten pflegen. Die Vergütungen für pflegende Familienangehörige sind sehr klein: 153 € im Monat bei der Pflegestufe 1; zwischen 201 und 268,79 € bei der Pflegestufe 2 und zwischen 290,73 und 387,64 € bei der Pflegestufe 3. Die Vergütungen für fremde Pfleger oder um die Kosten einer Pflege außerhalb des eigenen Hauses zu bezahlen sind etwas größer: 300 € im Monat bei Pflegestufe 1, 300 bis 426,12 €/Monat bei Pflegestufe 2 und 429 bis 715,07 €/Monat bei Pflegestufe 3. 

Mit freundlichen Grüssen, 

José Antonio Pérez Alonso
Abogado/Rechtsanwalt
www.kanzleiperezalonso.com