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M M upload 04.01.2016, Viva Edition 56 | Print article

Rechtstipp Nr. 51: Das neue spanische Straßenverkehrsgesetz 2014

Das neue spanische Straßenverkehrsgesetz 2014

Am 8. April 2014 wurde das neue Straßenverkehrsgesetz im spanischen Staatsanzeiger (Boletín Oficial del Estado, kurz, BOE.) veröffentlicht: „Ley 6/2914, que aprueba el Texto Articulado de la Ley sobre Tráfico, Circulación de Vehículos de Motor y Seguridad Vial“. Wie Sie sehen, nicht nur in Deutschland mögen Politiker lange Namen für ihre Gesetze - das ist leider hier auch zur lästigen Gewohnheit geworden (ich vermute, dass sich die Abkürzung „TALTCVMSV“ trotzdem nicht durchsetzen wird!).

Der heutige Staatsanzeiger BOE war ursprünglich eine private Madrider Zeitung (Gaceta de Madrid), die Mitte des 17. Jahrhunderts gegründet wurde. 1762 wurde sie vom spanischen Bourbonen-König Karl dem Dritten verstaatlicht, um seine Gesetze bekannt zu geben. Damit ein Gesetz in Spanien rechtskräftig wird und in Kraft treten kann, muss es seit 1836 in diesem Staatsanzeiger veröffentlicht werden, damit alle Bürger mindestens die Möglichkeit haben, über den Inhalt Kenntnis zu erlangen (ob der normale Bürger das tut, ist natürlich eine andere Sache, aber man weiß ja: Unkenntnis schützt nicht vor Strafe...und dafür gibt es uns Anwälte ja!).

Der BOE war früher eine richtige Zeitung aus Papier, die man kaufen oder abonnieren konnte. Als Student habe ich noch Stapel von BOE-Zeitungen in den Kanzleien gesehen; mittlerweile gibt es sie fast nur noch im Internet (kostenlos) zu lesen. Rechtsanwälte arbeiten schon lange ausschließlich mit abonnierten Online-Gesetzesdatenbanken (übrigens: Bitte trauen Sie dem Internet nicht, wenn Sie juristische Informationen suchen! Man kann nie sicher sein, ob die gefundenen Gesetze noch gültig sind, ob es neue Gesetze mit anderen Vorschriften gibt bzw. ob die Kommentare wirklich stimmen oder nicht). Wie im Gesetzestext des neuen Straßenverkehrsgesetzes zu lesen ist, wird es einen Monat nach der Veröffentlichung in Kraft treten, d.h., am 8. Mai 2014. Das Gesetz ist natürlich nicht vollständig neu aufgesetzt worden, es ist nur die neue Fassung des geltenden Straßenverkehrsgesetzes mit einigen Veränderungen und Neuerungen. Genau hiermit befasst sich mein heutiger Artikel.

A. Verkehrsstrafen - auch für Autos mit ausländischem Nummernschild

Bereits die europäische Richtlinie 82/2011 hatte vorgesehen, dass die EU-Länder die notwendigen Informationen untereinander austauschen müssen, damit Autos, die in Spanien fahren, aber kein spanisches Nummerschild haben, Verkehrsstrafen auferhängt werden können. Bei Bürgern, die in Großbritannien, Dänemark oder Irland wohnen, wird dies keine Anwendung finden, da ihre Regierungen die Richtlinie nicht angenommen haben. Aus diesem Grunde wird Spanien diesen Ländern auch nicht dabei helfen, ihre Strafen hier durchzusetzen (ziemlich blöd, finde ich). Die Fahrer, die in Spanien wohnen, sind ab jetzt verpflichtet, die ausländischen Nummerschilder durch ein spanisches Nummerschild zu ersetzen (aber nicht sofort, erst wenn die vorgesehene Verordnung veröffentlicht wird).

B. Verbot von Radarwarnanlagen

(200 Euro Strafe und 3 Punkte). Radarhemmer waren bereits vor dem Erlass des neuen Gesetzes verboten. Radarwarnanlagen, die auf vorhandene Radare hinweisen, waren hingegen erlaubt. Es ist zwar weiterhin erlaubt Radar-Warner zu benutzen, wenn sie als Radarwarnerfunktion des Navigationssystems heruntergeladen werden, aber eine Radarwarnanlage, die selbst vorhandene Blitzer sucht, ist hingegen verboten.

Kinder

Kinder unter 1,35 Meter dürfen nicht mehr auf den Vordersitzen des Autos sitzen, außer wenn alle Rücksitze von anderen Kindern besetzt sind (bisher war das Gewicht des Kindes entscheidend, nicht seine Größe). Kinder unter 1,35 Meter müssen immer Kindersitze (Kinderrückhaltesysteme) benutzen. Die Polizei kann das Auto stilllegen, wenn Kinder im Auto mitfahren und keine Kindersitze vorhanden sind. Diese Vorschrift ist noch nicht in Kraft getreten, sie wird in einer zukünftigen Verordnung konkret geregelt werden.

Fahrradfahrer

Bisher mussten Fahrradfahrer nur auf Landstraßen einen Helm tragen. Mit Inkrafttreten der neuen Verordnung wird für Kinder unter 16 Jahren bei Fahrten in Stadtgebieten das Tragen eines Helms Pflicht (Strafe 200 Euro, die Eltern zahlen!). In einer zukünftigen Verordnung werden angeblich auch andere zusätzliche Fälle, bei denen das Tragen eines Helms Pflicht sein wird, geregelt werden.

Sollte ein Auto ein Fahrrad überholen, muss eine seitliche Entfernung von mindestens 1,5 m eingehalten werden. Neu ist, dass das Auto ab jetzt für die Überholung die andere Fahrspur benutzen darf. Eine wichtige Neuerung: Bisher durften Fahrradfahrer nicht unter der Mindestgeschwindigkeit fahren (also unter 50% der Höchstgeschwindigkeit der jeweiligen Straße). Dies war auf steilen Straßen manchmal schwierig einzuhalten. Das ist jetzt erlaubt. Fahrradfahrer dürfen aber weiterhin nicht auf Autobahnen fahren.

Geschwindigkeit

Auf manchen Abschnitten der spanischen Autobahnen wird die Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h auf 130 km/h erhöht. In Städten wird es verkehrsberuhigte Bereiche geben, in denen man nicht schneller als 20 bzw. 30 km/h fahren darf. Auf Fernstraßen wird die Höchstgeschwindigkeit 90 km/h betragen.

Strafzettelrabatt

Innerhalb der ersten 20 Tage nach Zustellung des Bußgeldbescheids kann man das Bußgeld mit 50% Rabatt bezahlen bzw. Protest einlegen. Bisher betrug die Frist lediglich 15 Tage. Wenn Sie von diesem Rabatt Gebrauch machen, dürfen Sie keinen Protest gegen den Knollen einlegen (Sie dürfen die Strafe aber immer noch vor Gericht anfechten!).

Null Toleranz für Drogen & Alkohol am Steuer

Ich weiß, unter den anständigen VIVA-Lesern fährt sowieso niemand unter Drogen- bzw. Alkoholeinfluss, aber bestimmt kennen Sie einen Nachbarn, den Sie warnen können! Fährt man Auto unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, begeht man eine Straftat. Trunkenheit am Steuer ist es eine Straftat (es droht Gefängnisstrafe bzw. Geldstrafe und Führerscheinentzug von bis zu vier Jahren), wenn die Blutalkoholkonzentration im Blut mehr als 0,60 Miligramm pro Liter beträgt. Liegt der Alkoholgehalt zwischen 0,25 und 0,60 MG/L, wird es verwaltungsrechtlich mit einer Geldstrafe bestraft (bisher 500 Euro plus 4 bzw. 6 Punkte; mit dem neuen Gesetz 500 bis 1000 Euro und 4 bis 6 Punkte). Die härtere verwaltungsrechtliche Strafe wird verhängt, wenn man sehr betrunken (>0,5 Gramm/Liter) gefahren ist (aber unter den strafrechtlich Grenzwerten von 0,6) bzw. wenn man schon Vorjahr wegen desselben Vergehens bestraft worden ist (Wiederholungstäter).

Fahren unter Drogeneinfluss stellt wie bisher eine Straftat dar, „wenn die Fahrweise beeinflusst wird“ - sonst war es bisher straffrei. Das hat sich jetzt durch das neue Gesetz geändert: Wird beim Fahrer Drogenkonsum nachgewiesen, zahlt er 1.000 € Bußgeld (und verliert 6 Punkte), auch wenn die Fahrweise dadurch nicht nachweislich beeinflusst wurde. Wurde seine Fahrweise von dem Drogenkonsum beeinträchtigt, begeht er eine noch härter zu bestrafende Straftat.

• Achtung: In Spanien hat man als Fahrer am Anfang 12 Punkte. Wenn man alle Punkte verliert, hat man Fahrverbot. Es ist also genau umgekehrt als in Deutschland: Man bekommt keine Punkte bei einer Ordnungswidrigkeit, sondern man verliert sie. In Spanien lieben wir unser Punkte und wir wollen sie nicht verlieren! Es gibt sogar einen regen (illegalen) Punkte-Markt im Internet...

Auch Fußgänger sind ab jetzt verpflichtet, sich Drogen oder Alkoholtests zu unterziehen, nicht nur wenn sie in einem Verkehrsunfall verwickelt sind sonder auch (und das ist eine Neuheit) wenn sie eine Ordnungswidrigkeit begehen. Drogenkonsum wird in letzter Zeit viel häufiger kontrolliert und zwar mit einer schnellen Speichel-Analyse vor Ort.

Umweltschutz

In diesem neuen Gesetz wird zum ersten Mal vorgesehen, dass die Regierung aus Umweltschutzgründen entscheiden kann, dass bestimmte Fahrzeuge ein provisorisches Fahrverbot bekommen, um erhöhte Luftverschmutzungswerte zu verringern. Zum Schutz der Umwelt und der Einwohner auch anderer Länder wird ebenfalls der Export verboten von Fahrzeugen, die nicht die Mindestsicherheitsmaßnahmen und Umweltschutzbedingungen einhalten (einige Gauner werden sie jetzt bestimmt als „Schrott“ oder „Ersatzteile“ weiter verkaufen!). Aus Spanien und ganz Europa wurden bisher jährlich Unmengen von alten Autos, Bussen und Lastwagen nach Afrika exportiert. Mit diesem Verbot soll z.B. verhindert werden, dass Kinder der Dritten Welt weiterhin in gefährlichen Bussen fahren. Vielleicht werden sie nun aber zu Fuß gehen müssen, wer weiss ... das Gesetz ist aber schon gut gemeint.

Krebskranke

Krebskranke in Behandlung dürfen in den meisten Fällen kein Auto fahren. Diese Beschränkungen sollen in der Zukunft etwas aufgelockert werden.

José Antonio Pérez Alonso, abogado - Rechtsanwalt