Ausgabe Nr.
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J M upload 29.04.2022, Viva Edition 187 | Print article

Westsahara - der vergessene Krisenherd

Spätestens mit der (Wieder)Entdeckung der Neuen Welt kam die Erkundung bzw. Unterwerfung neuer Territorien so richtig in Fahrt. Ressourcen sorgten für immer mehr Wohlstand der europäischen Mächte. 
• Auf dem in Berlin im Jahr 1884 einberufenen Kongress wurde Afrika aufgeteilt und die Westsahara wurde zum spanischen Protektorat, das unmittelbar mit der Besetzung von Dakhla begann, von wo aus die wirtschaftlichen Aktivitäten aufgebaut wurden. Diese Entscheidung ist logisch nachzuvollziehen, denn den Mahreb1) und die iberische Halbinsel verbanden über Jahrhunderte enge Handelsbeziehungen, deren Spuren der geistigen und kulturellen Blütezeit in der spanisch-maurischen Kultur und Architektur bis heute hinterlassen hat. Zudem machten Gold, Perlen und arabischer Gummi die Westsahara interessant. Spaniens Kolonialzeit war im Vergleich zu anderen Ländern Afrikas recht kurz. 
• 1912 legten Spanien und Frankreich die Grenzen in Westsahara in einem Abkommen fest, doch die Sahraui-Nomaden, eine maurische Ethnie, wehrten sich beharrlich gegen die ausländischen Besatzer und es kam immer wieder zu blutigen Konflikten. 
• 1934 erstickte Spanien mit einem ‚Befriedungsplan‘ (Pacification) jeglichen Widerstand und übernahm die Kontrolle des ganzen nördlichen Territoriums. 
• 1949 werden bei Bou-Craa riesige Phosphatvorkommen mit einer Reinheit von bis zu 80 % entdeckt, was das Territorium noch wertvoller machte. Parallel organisiert sich eine Widerstandsbewegung und es kommt zu blutigen Kämpfen. 
• 1958 wurde die Niederschlagung der Befreiungsarmee der Sahraui in einem Abkommen zwischen Spanien und Frankreich beschlossen, das von Marokko befürwortet wurden.
• 1961 wurde die Zone zu einer spanischen Provinz erklärt.
• 1963 wurde die Westsahara von der UNO in die Liste der entkolonialisierten Länder eingetragen. Die Unabhängigkeit der Sahraui wurde bei der UN-Generalversammlung im Dezember 1965 bestätigt und Spanien wurde aufgefordert die Kolonialbesetzung zu beenden. Im darauf folgenden Jahr wurde der Selbstbestimmungsakt der Sahraui ratifiziert. Bis zum tatsächlichen Rückzug dauerte es noch und in dieser Zeit gab es immer wieder Unruhen. 
• Am 17. Juni 1970 wurde der friedliche Protestmarsch der Widerstandsbewegung der Sahraui in El Ayún (Zemla) brutal niedergeschlagen und endete in einem Massaker an der Zivilbevölkerung. Sowohl Mauretanien als auch Marokko erhoben territoriale Ansprüche.
• 1975 sprach sich Spanien für ein Referendum zur Selbstbestimmung der Westsahara aus und zog sich im selben Jahr aus El Ayún, Smara und Dakhla zurück. Dies betraf sowohl die spanische Zivilbevölkerung als auch der Abzug jeglicher Militärpräsenz (siehe Flagge). Der Internationale Gerichtshof bestätigte im selben Jahr in einem Gutachten, dass Mauretanien und Marokko kein Anrecht auf das Territorium der Westsahara hätten. 
• Allerdings startet noch im Herbst dieses Jahres die Invasion der Westsahara durch Marokko und Mauretanien, wobei letztgenannter Staat sich aufgrund Geldmangels früh wieder zurückgezogen hat. Marokko soll sogar Napalbomben auf die Zivilbevölkerung abgeworfen haben, was zu einer Fluchtbewegung von zehntausenden Sahrauis in die Wüste der Sahara führte. Noch heute leben in der Gegend von Hammada bis zu 200.000 im Exil,  weitere 100.000 verblieben in der Westsahara.
• In dieser Zeit formierte sich die Widerstandsbewegung neu und zwar unter dem Namen Polisario,2) die im Jahr 1979 in einem Friedensabkommen mit Mauretanien, der die Souveränität des Staates RASD (Demokratische Republik der Sahrauis) anerkennt. Marokko lehnt dieses Abkommen ab und besetzte daraufhin den restlichen Teil der Westsahara. Seitdem kämpft die nationale Befreiungsfront Polisario für die Unabhängigkeit der Westsahara.

Kommentar
Die Vereinten Nationen haben ihre Machtlosigkeit auch in diesem Gebiet demonstriert. Obwohl der Internationale Gerichtshof bereits im Jahr 1965 in seinem Gutachten die Legitimität des souveränen Staates in der Westsahara sowie die Illegitimität jeglicher Territorialansprüche Marokkos und Mauretaniens, hat die folgende Invasion Marokkos bis heute keiner relevanten international akkordierten Konsequenzen bzw. Sanktionen gegenüber der Besatzungsmacht nach sich gezogen.  jm